Die Politszene wundert sich

Niedersachsen: CDU-Spitzenkandidat Althusmann präsentiert sein Schattenkabinett

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Trostreich nach dem deprimierenden Wahlergebnis der Sozialdemokraten auf Bundesebene dürfte für Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) eine aktuelle Umfrage sein, die besagt: Die SPD hat aufgeholt, liegt in der Wählergunst mit 34 Prozent nur noch hauchdünn hinter der CDU, für die sich 35 Prozent aussprachen. Die Entscheidung am 15. Oktober verspricht, spannend zu werden, »es ist alles offen«, sagt auch Weils Herausforderer von der CDU, Bernd Althusmann.

Dessen Bekanntheitsgrad mag inzwischen etwas zugenommen haben, doch zu den Mitgliedern seines Schattenkabinetts fragt die Mehrzahl der Wählerinnen und Wähler vermutlich: »Wer ist denn das?« Und mancher Personalwunsch verwundert.

Wer zum Beispiel erwartet hatte, dass Althusmann Ex-Innenminister Uwe Schünemann für diesen Posten reaktivieren will, erfuhr nun: Der Hardliner soll nicht wieder ins Kabinett. Stattdessen möchte Althusmann das Innenressort dem derzeitigen Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Günter Heiß, anvertrauen. Niedersachsen ist für den 65-Jährigen kein Neuland, er war dort Präsident des Verfassungsschutzes. Auch Heiß werde Flüchtlingen gegenüber in punkto Abschiebung nicht zimperlich sein, heißt es.

Insider munkeln, Uwe Schünemann habe sich Hoffnungen auf den Ministersessel gemacht, und auch andere aktive Abgeordnete der Union seien enttäuscht darüber, dass sie Althusmann nicht auf seine Kabinettsliste gesetzt hat. Beobachter der Landespolitik hatten beispielsweise damit gerechnet, dass der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, der bissige Jens Nacke, mit der Aussicht auf ein Ministeramt belohnt werden würde. Fehlanzeige.

Drei seiner Fraktionskollegen allerdings möchte Althusmann mit einer solchen Belohnung bedenken: Björn Thümler (46), Fraktionsvorsitzender der CDU, soll Finanzminister werden. Warum dem Politik- und Geschichtswissenschaftler dieses Ressort zugedacht ist, erscheint schleierhaft. Als obersten Hüter des Geldes, so hatten viele erwartet, würde der Haushaltsexperte der Union, Reinhold Hilbers (53), auserwählt. Doch ihm ist das Ministerium für Frauen und Soziales zugedacht. Nicht minder verwunderlich: Frank Oesterhelweg, selbstständiger und studierter Landwirt, würde im Kabinett Althusmann Umwelt- und nicht Agrarminister.

Diese Funktion nämlich möchte der Weil-Herausforderer mit der Vorsitzenden der niedersächsischen Landfrauen, Barbara Otte-Kinast (53), besetzen. Und wieder wundert sich die Politszene: Wenn schon nicht Frank Oesterhelweg, weshalb ist nicht Landwirt Helmut Dammann-Tamke, immerhin agrarpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, in der Ministerauswahl und stattdessen eine Landwirtin »von draußen«?

Ebenfalls »von draußen« möchte sich Althusmann drei weitere Ministerinnen ins Kabinett holen: Mareike Wulf (37), Geschäftsführerin der Unternehmerverbände, als Kultusministerin sowie die Richterin Barbara Havliza (59) als Chefin des Justizressorts. Zur Wirtschaftsministerin will der CDU-Chef Tamara Zieschang (47) machen. Niedersachsen wäre das dritte Bundesland, in dem sie Unionspolitik machen soll. Von 2009 bis 2012 war sie Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Schleswig-Holsteins, seither fungiert sie in gleicher Position im sachsen-anhaltinischen Innenministerium.

Ob Althusmann seine Wünsche verwirklichen kann, hängt von einer Regierungsbildung ab, über die sich zurzeit nur spekulieren lässt angesichts der aktuellen Umfrage. Bei ihr entschieden sich, was die kleineren Parteien betrifft, für die Grünen neun und für die FDP acht Prozent der Befragten. Die Linkspartei liegt bei fünf Prozent und kann auf eine Rückkehr ins Parlament hoffen.

Die AfD liegt in der Umfrage bei sechs Prozent. Ministerpräsident Stefan Weil erklärte im NDR, er hoffe, dass die AfD unter die Fünf-Prozent-Hürde rutscht und damit dem Parlament in Niedersachsen erspart bleibt.

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