nd-aktuell.de / 05.10.2017 / Berlin / Seite 11

Volksbühnen-BesetzerInnen machen weiter

Wenige Tage nach der Räumung des Theaterhauses kündigt das KünstlerInnenkollektiv VB 61-12 weitere Aktionen an

Marie Frank

Die Absperrgitter säumen am Dienstag noch immer die Volksbühne, auch die Einsatzwagen der Polizei stehen immer noch vor Ort. Allerdings wesentlich weniger als vergangenen Donnerstag, als mehr als 200 PolizistInnen der »transmedialen Theaterinszenierung« des KünstlerInnenkollektivs VB 61-12 ein jähes Ende setzten. Dafür hängt das riesige Banner mit der Aufschrift »Doch Kunst« wieder, das die Besetzung der Volksbühne fast eine Woche nach außen hin sichtbar machte.

»Doch Kunst« ist auch der Titel der Veranstaltung, die das KünstlerInnenkollektiv wenige Tage nach Ende der Besetzung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz direkt vor dem Theaterhaus abhält. Viel ist nicht los an diesem verregnet-sonnigen Nachmittag. Vereinzelt stehen Interessierte auf dem Rasen und schauen dabei zu, wie direkt vor den Absperrgittern eine kleine Bühne installiert wird. Auch ein kleines Wohnzimmer wurde aufgebaut – inklusive Fensterläden mit Spitzengardinen.

Das spießige Interieur des improvisierten Wohnraumes steht dabei in starkem Kontrast zu dem, was hier heute stattfindet: Die BesetzerInnen der Volksbühne melden sich zurück und kündigen weitere Aktionen an. Der Diskurs über das Anliegen der AktivistInnen – die Kritik an der aktuellen Kultur- und Stadtentwicklungspolitik an der Volksbühne als Symbol neoliberaler Umwälzungen öffentlich sichtbar zu machen – werde mit der Räumung nicht aufhören, hieß es vergangene Woche. Dieses Versprechen lösen die KünstlerInnen mit der Kundgebung nun ein.

Es soll darüber geredet werden, was da genau passiert ist in den letzten zwei Wochen und warum. Und wie es weitergehen soll natürlich. Dazu gibt es Redebeiträge von den BesetzerInnen selbst, aber auch von anderen TeilnehmerInnen sowie von Kulturschaffenden und stadtpolitischen Initiativen. Den Abschluss bildet ein Konzert von Kai und Funky von Ton Steine Scherben.

Als es dann nach Berliner Zeitrechnung pünktlich – also mit anderthalb Stunden Verspätung – losgeht, ist die Menschenmenge auf dem Platz auf etwa 100 Interessierte angewachsen. Zu Beginn geht Marcella vom VB 61-12-Kollektiv auf die Kritik an der Besetzung ein. Diese sei sowohl künstlerischer als auch politischer Art gewesen. »Die politische Kritik lautet oft: Warum habt ihr den Grünen Salon nicht genommen? Warum habt ihr überhaupt Kunstquatsch gemacht? Warum wart ihr nicht so hierarchiefrei, wie wir es gerne gewollt hätten? Warum habt ihr soviel gefeiert?« Diese Fragen könne man beantworten und diskutieren, sie würden jedoch den grundsätzlichen Impetus der Performance nicht berühren. »Jede Kritik an einzelnen Gegebenheiten innerhalb dieser Aktion kann nur die Ausführung kritisieren, aber nicht die Tatsache, dass hier ein gesamtgesellschaftliches Problem neu inszeniert wurde«, so die Aktivistin. Prekarisierte KünstlerInnen hätten sich hier einer Verquickung von Politik und Kunst gewidmet und mit dieser transmedialen Inszenierung »künstlerische und politische Praktiken auf eine Art und Weise verwoben, die bemerkenswert und neu ist«. Die Räumung sei daher nebensächlich, wichtig sei, dass es weitergehe: »Das hier war eine Probe und es wird weitere Proben geben«, lautet das Versprechen. Und es klingt fast schon wie eine Drohung.

Ein weiterer Sprecher an diesem Abend ist Christophe Knoch von der »Koalition der Freien Szene aller Künste« und letzter Assistent des verstorbenen Theatermachers Christoph Schlingensief. Er sei als Privatperson vor Ort gewesen und empfinde größten Respekt und tiefe Dankbarkeit für das, was das Kollektiv zustande gebracht habe. »Ihr habt umgesetzt, was Theater eigentlich ist: ein Ort des Diskurses, ein Ort der Visionierung von konkreten Utopien.« Dahinter könne kein Intendant der Stadt mehr zurück. »Das Haus wird ab morgen, wenn hier dann alle fort sind, wieder in seiner blühenden Leere erstarren. Wir werden alle sehen was fehlt. Und das wird nicht auf euch, sondern auf Chris Dercon zurückfallen«, sagt er in Richtung der BesetzerInnen. Dieser habe sich letztlich als Feigling entpuppt, da er außer bei der Räumung nicht ein einziges mal vor Ort gewesen sei. Das kritisiert auch Hendrik Sodenkamp vom BesetzerInnen-Kollektiv, signalisiert jedoch Gesprächsbereitschaft. In Richtung Chris Dercon sagt er: »Wir sind immer noch verhandlungsbereit, obwohl Sie die Polizei gegen uns eingesetzt haben. Die Verhandlung wurde einseitig aufgekündigt und wir sind trotzdem bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukommen.«