Verfassungsgericht untersagt katalanische Parlamentssitzung

Wenige Tage vor der erwarteten Unabhängigkeitserklärung verbietet das Gericht die dafür vorgesehene Sitzung

  • Lesedauer: 3 Min.

Madrid. Wenige Tage vor der erwarteten Unabhängigkeitserklärung Kataloniens hat das spanische Verfassungsgericht die dafür vorgesehene Sitzung des katalanischen Parlamentes untersagt. Dies berichteten spanische Medien am Donnerstag unter Berufung auf Justizkreise. Die katalanischen Sozialisten (PSC) - strikte Gegner der Separatisten - hatten Beschwerde gegen die geplante Sitzung eingereicht, weil sie die Verfassung verletzte und die Rechte der Abgeordneten missachte.

Das Regionalparlament wollte am Montag zusammentreten, um die Konsequenzen aus dem Volksabstimmung zu ziehen, bei der sich die große Mehrzahl der Abstimmenden für die Unabhängigkeit von Spanien ausgesprochen hatte. Schon das Referendum war von der Justiz untersagt worden - ohne Konsequenzen.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy lehnt jeden Dialog mit der Regionalregierung Kataloniens ab. In der Nacht zum Donnerstag wies er ein neues Gesprächsangebot der Separatisten energisch zurück. »Sie haben schon viel Schaden verursacht, ziehen Sie die Drohung einer Abspaltung zurück«, hieß es in einem Kommuniqué an die Adresse des katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont.

Rajoys Amtsvorgänger und Parteifreund José María Aznar kritisierte die Passivität der Regierung und brachte sogar Neuwahlen ins Spiel. Der Regierungschef müsse nun Härte zeigen oder Platz für eine andere Regierung machen, hieß es in einer Analyse seiner Stiftung Faes. Der 64-Jährige gehört wie Rajoy der konservativen Volkspartei (PP) an und hatte Spanien von 1996 bis 2004 regiert.

Puigdemont hatte Madrid zuvor zu Verhandlungen aufgerufen. Er habe bereits viele Vermittlungsangebote erhalten und »es wäre unverantwortlich«, diese nicht anzunehmen, erklärte der 54-Jährige in einer Fernsehansprache in Barcelona. Gleichzeitig stellte er klar, dass die Pläne zur Ausrufung der Unabhängigkeit auf jeden Fall verwirklicht werden sollen.

Aznar betonte, Madrid müsse alle in der Verfassung verankerten Artikel in Betracht ziehen. Damit wird spanischen Medien zufolge auf den Artikel 155 angespielt, der es der Regierung ermöglichen würde, die Regionalregierung zu entmachten und die Kontrolle über die autonome Region zu übernehmen. Beobachtern zufolge wird diese Option immer wahrscheinlicher.

Falls Rajoy sich dazu nicht durchringen könne, müsse er den Spaniern die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, wer das Land aus der Krise führen soll, hieß es mit Blick auf mögliche Neuwahlen. Madrid dürfe keinesfalls weiter »im Nichtstun« verharren.

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen, Karl-Heinz Lambertz, forderte einen Dialog beider Seiten. »Es muss vor allem der Wille zur Suche nach einer Kompromisslösung vorhanden sein. Und den vermisse ich zur Zeit«, kritisierte er im rbb-Inforadio. In dem Streit müssten Gleichgewichte geschaffen werden, auch wenn diese vorübergehend und instabil seien. Äußerst problematisch sei der Einsatz von Polizeigewalt, unabhängig von der gültigen Rechtslage. Beim harten Einsatz der von Madrid entsandten Polizeieinheiten zur Verhinderung der Befragung wurden nach Angaben der Regionalregierung fast 900 Menschen verletzt.

Derweil hat die Krise erste wirtschaftliche Auswirkungen. Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) drohte Katalonien jetzt mit einer schlechteren Einschätzung der Kreditwürdigkeit. Die spanische Region wurde auf »credit watch negative« gesetzt. Laut S&P könnte die Region in Schwierigkeiten kommen, sich kurzfristig selbst zu finanzieren. Eine Entscheidung über die Kreditbewertung soll in den nächsten drei Monaten fallen.

An dem Referendum beteiligten sich 42 Prozent der Stimmberechtigten; 90 Prozent stimmten für die Unabhängigkeit. Jedoch waren die Gegner einer Abspaltung der Wahl überwiegend ferngeblieben. Agenturen/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal