Reizthema Ambrosia

Lungenfacharzt Ulf Gereke fordert eine Bekämpfung der Pflanze nach dem Vorbild der Schweiz

  • Manfred Rey
  • Lesedauer: 3 Min.

Der verregnete Sommer hat den von Ambrosiapollen geplagten Allergikern etwas Erleichterung verschafft. Wie Messungen im Hauptverbreitungsgebiet der Niederlausitz ergaben, war die Pollenflugphase in diesem Jahr kürzer und weniger intensiv als 2016. Für den Cottbuser Lungenfacharzt Ulf Gereke dennoch kein Grund zur Entwarnung. »Auch wenn die Pollen nicht fliegen, verbreiten sie sich dennoch«, sagt der Mediziner, der seit mehreren Jahren in Südbrandenburg Ambrosia-Niederschläge in sogenannten Pollenfallen auswertet.

Die Gegend um Drebkau und Vetschau gilt als das europaweit am stärksten von Ambrosia besiedelte Gebiet. Die aus Nordamerika importierte Pflanze droht nach Einschätzung des bundeseigenen Julius-Kühn-Instituts aber in ganz Deutschland zu einem ernstzunehmenden gesundheitlichen Problem zu werden. Schon geringe Pollenkonzentrationen reichen demnach aus, um einen allergischen Anfall auszulösen.

Seit Jahren beobachtet Gereke, wie sich die hochallergene Pflanze ausbreitet. Der rot-roten Landesregierung wirft er vor, sie unterschätze das Problem »und sitze es aus - trotz klarer Messwerte«, wie er sagt. Wenn in den nächsten drei bis vier Jahren nicht energisch gegen Ambrosia vorgegangen werde, »wird man das Zeug nicht mehr los«, ist er überzeugt.

Wie Gereke verweist auch Drebkaus Bürgermeister Dietmar Horke (parteilos) auf das Beispiel Schweiz, wo es dem Kanton Zürich gelungen ist, Ambrosia praktisch auszurotten. »Warum geht das bei uns nicht?«, fragt Horke.

Das Agrarministerium hat eine einfache Erklärung, wie es in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen heißt: »In Deutschland ist eine umfassende Bekämpfungs- und Meldepflicht auf der Grundlage des Pflanzenschutzrechts nicht möglich.« Allerdings könnten die Ordnungsbehörden in Brandenburg eine Melde- und Bekämpfungspflicht »zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erlassen«, erläutert das Ministerium. Dies müsse aber im Einzelfall geprüft und vom »jeweils zuständigen Ressort entschieden werden«. Auf den Weg gebracht ist bislang lediglich eine Arbeitsgruppe mehrerer Ministerien. Noch in diesem Jahr soll die Stelle eines Koordinators ausgeschrieben werden. Er soll das Vorkommen der Pflanze erfassen und Ratschläge zu ihrer Bekämpfung erteilen. Für Bürgermeister Horke ist das zu wenig. Er fordert entschiedene Regelungen, etwa zu den meterbreiten Randstreifen an Agrarflächen. Dort dürfen Landwirte aus Gründen des Naturschutzes keine Unkrautvernichtungsmittel einsetzen. »Auf dem Niemandsland aber wächst Ambrosia munter vor sich hin«, klagt Horke.

2017 sei »wieder ein verlorenes Jahr«, bedauert der Landtagsabgeordnete Benjamin Raschke (Grüne). Jahr für Jahr breite sich Ambrosia in der Niederlausitz aus, »ganze Felder sind befallen«. Da helfe es nicht, mit Broschüren aufzuklären und einen Ambrosiaatlas herauszugeben. »Wir wollen ähnlich wie in der Schweiz eine Melde- und Bekämpfungspflicht«, sagt Raschke.

Die Koordinatorenstelle stößt auch beim CDU-Abgeordneten Raik Nowka auf Skepsis. »Wenn wir die Stelle haben, dann wissen wir im günstigsten Fall irgendwann über alle größeren Ambrosiavorkommen Bescheid, aber davon wird keine einzige Pflanze beseitigt.« Die Belastungen in den betroffenen Landstrichen seien in den letzten Jahren immer größer geworden. Damit hätten auch die Gesundheitsgefahren zugenommen.

Werde Ambrosia als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft, könnte man dagegen vorgehen, denkt Nowka. Warum dies bislang nicht geschehen sei, erklärt er sich so: »Offenbar ist der Leidensdruck der Bevölkerung aus Sicht des Ministeriums noch nicht hoch genug.« dpa

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