Einfach verpissen nach der Pleitenkette?

Sieben Tage, sieben Nächte: Wolfgang Hübner über Kämpfernaturen und Verantwortung in Fußball und Politik

Dieses Wochenende bringt die Stunde der Wahrheit. Den Tag der Entscheidung. Die vielleicht letzte Möglichkeit, das Ruder doch noch rumzureißen nach dieser Serie von Misserfolgen. Nach düsteren Wochen und Monaten voller enttäuschter Hoffnungen. Der glücklose Mann an der Spitze ist jedenfalls entschlossen, es endlich allen zu zeigen. Denn entscheidend, das weiß er als alter Fußballfan, ist auf dem Platz.

Deshalb haut er auch nicht in den Sack. Das könnte seinen Kritikern, seinen Gegnern, den ewigen Zweiflern, Schwarzmalern und Schadenfrohen so passen. Dass sein Ruf als Heilsbringer, den ihm der leider abgebrochene Höhenflug eingebracht hatte, dass dieser gute Ruf nun, nach der Pleitenkette, im Eimer sein könnte, ist ihm egal. »Darauf scheiße ich«, erklärt er sogar drastisch, was ein kultivierter Mensch erst dann auszusprechen pflegt, wenn die Angelegenheit wirklich am Dampfen ist.

Sicherlich, viele, auch manche Besserwisser aus den Medien, hatten ihm den Rücktritt nahegelegt. Oder sie erwarten ihn. Als eine Art Konsequenz. Aber nicht mit ihm. »Jetzt ist es schwierig, und jetzt soll ich mich verpissen?«, fragt er empört. Er steht zu seinem, wie er es liebevoll nennt, »Verein«. »Der Verein ist mir ganz wichtig. Das ist richtig geil hier.« Ja, er beherrscht sie noch, die Sprache der einfachen Leute, denn er stammt ja selbst aus einfachen Verhältnissen und hat sich mühsam hochgearbeitet. »Wenn jemand das Gefühl hat, dass es nicht mehr passt, müssen wir darüber reden. Aber ich habe nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, das Handtuch zu werfen.«

So kennt man ihn, die alte Kämpfernatur. Nicht aufgeben, auch nicht in aussichtsloser Lage. Sondern stattdessen das Positive sehen, auch wenn es noch so klein ist. »Ich habe schon das Selbstvertrauen, dass ich sage: Unser Ansatz ist gut.« Und dem ganzen »Verein« könne es schließlich »einen richtigen Schub geben, wenn wir aus dieser Phase gemeinsam herauskommen«. Vorwärts und nicht vergessen!

Und deshalb: kein Rücktritt. Jedenfalls nicht jetzt. »Das macht man nicht. Das wäre unmoralisch, fahrlässig und egoistisch.« Er weiß: »Es geht immer um Glaubwürdigkeit.« Denn »was wäre das für ein Charakterzug, meine Koffer zu packen, ohne zu wissen, ob der Verein eine Alternative hätte?«

Das war die Lage vor dem Wochenende der Entscheidung. Der 1. FC Köln, der sechs der letzten sieben Spiele verlor und von dessen Trainer Peter Stöger alle Zitate stammen, musste am Freitagabend in Stuttgart antreten. Und die SPD, die in diesem Jahr mit Hoffnungsträger Martin Schulz an der Spitze schon vier Wahlen verlor, hat ihr nächstes Match am Sonntag in Niedersachsen. Wie gesagt: Entscheidend ist auf dem Platz.

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