Tschüss, Trollinger? Der Schwaben-Zechwein wird verdrängt

Die regionale Rebsorte hat zwar einen enormen Ertrag, doch die Anbaufläche geht seit Jahren zurück - edlere Trauben sind gefragt

  • Wolf von Dewitz, Stuttgart
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei der heimischen Rebsorte kommt so manch Schwabe ins Schwärmen. »Der Trollinger ist unser Nationalgetränk«, sagt Martha Knobloch, die 1950 mit ihrem Mädchennamen Goll erste Württemberger Weinkönigin war. Und Hermann Hohl, Präsident vom regionalen Weinbauverband, sagt augenzwinkernd: »Der Trollinger ist für uns wie Muttermilch.« Der süffig-leichte Zechwein ist ein Phänomen - nirgendwo sonst in Deutschland wird ein Anbaugebiet so sehr geprägt von einer rein regionalen Rebsorte. Doch das Interesse sinkt: Immer mehr Winzer setzen auf andere Trauben.

Zwar gibt es weiter vehemente Fürsprecher, zugleich aber rückt die Rebsorte langsam aus dem Fokus. »Man kann mehr rausholen aus seinem Weinberg mit anderen Rebsorten«, sagt der Stuttgarter Winzer Hans-Peter Wöhrwag. Er hat den Trollinger-Anteil auf seinem 22 Hektar großen Betrieb deutlich reduziert: Als er ihn 1990 von seinen Eltern übernahm, waren es sechs Hektar, heute sind es 0,8. Die Riesling-Fläche hingegen baute er aus. Ein Grund: der deutschlandweite Trend zu edlerem Wein. »Die Leute trinken weniger, dafür aber besseren Wein - der Trollinger gehört nun mal zu den einfachen Weinen«, sagt der 55-Jährige. »Mit einfach meine ich nicht schlecht - zu Linsen und Spätzle passt er hervorragend.«

Wöhrwag ist kein Einzelfall - auch insgesamt sinkt das Interesse am Trollinger langsam, aber stetig. Wurde die Rebsorte 2006 auf 2483 Hektar in Württemberg angebaut, so waren es laut Deutschem Weininstitut 2016 nur noch 2195 Hektar. Zwar ist der Trollinger noch immer stärkste Rebsorte Württembergs, doch der erste Platz wackelt angesichts des aufstrebenden Rieslings.

Der Trollinger war lange so etwas wie der Kassenschlager im schwäbischen Weinbau. Die Trauben haben einen enormen Ertrag, im Vergleich zu anderen Sorten können sie das Doppelte an Menge bringen. Die Kehrseite: Bei der Ernte fällt zwar viel Fruchtfleisch an, doch der Schalenanteil ist relativ gering - dort aber sitzen die für den Geschmack so wichtigen Gerbstoffe sowie die Farbstoffe. Der kleine Schalenanteil führt zur leichten, süffigen Art des Trollingers, der mit seinem hellen Rot mitunter fast wie ein Rosé wirkt und mit circa zehn Prozent relativ wenig Alkohol hat. »Trollinger, in kleine Gläsle genossa, schadet au in größere Menga net«, lautet ein alter schwäbischer Trinkspruch.

Solche Zeiten seien längst vorbei, sagt Dieter Blankenhorn, Chef der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und Weinbau (LVWO). Er erklärt das abnehmende Interesse am Trollinger mit einem gesellschaftlichen Wandel: »Früher hat man auch tagsüber bei schwerer körperlicher Arbeit Wein getrunken, das war ein Lebensmittel.« Und der »Brot- und Butter-Wein« sei bezahlbares Alltagsgut gewesen. Doch der Trollinger werde auch künftig eine prägende Rolle spielen für das Weinbaugebiet, meint Blankenhorn. »Ein Württemberger Betrieb braucht auf jeden Fall Trollinger im Anbau und im Angebot - das ist unsere Tradition und unser Profil.«

Der Weinhändler Bernd Kreis ist anderer Meinung - der Stuttgarter ist ein Kritiker des Trollinger-Anbaus. Schon vor gut zwei Jahrzehnten trat er im Stuttgarter Landtag bei einer Weinbranchen-Anhörung entsprechend auf. Seine Botschaft damals: Raus mit dem Trollinger, denn der Zechwein mache das Image der Weinregion kaputt. Der Aufschrei war groß. »Ich wurde sogar als Trollinger-Mörder bezeichnet«, erinnert sich Kreis, der 1992 als bester Sommelier Europas ausgezeichnet worden war. Als Rebsorte sei Trollinger zwar sehr interessant, aber im Anbau und in der Pflege enorm anspruchsvoll. »Der Trollinger will gehegt werden und den schönsten Platz haben auf dem Weinberg.«

Tatsächlich steht das Gewächs in sonnigen Steillagen. Um Mehrkosten für die aufwendige Bewirtschaftung auszugleichen, setzten viele Weingärtner auf Masse - sie holten so viel Ertrag wie möglich raus, so Experte Kreis. Das gehe zu Lasten der Qualität, etwa wenn aufgeplatzte Beeren mitgeerntet und nicht aussortiert werden. »Aus vielen unserer besten Lagen wird schlechter Wein gekeltert.«

Es gebe vorzügliche Trollinger, sagt Kreis aber auch. Bei richtigem Ausbau könne der Wein zum Image des Anbaugebiets beitragen. dpa/nd

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