nd-aktuell.de / 19.10.2017 / Politik / Seite 7

Moskauer Premiere für Kroatien

Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovi will Beziehungen zu Russland verbessern

Elke Windisch, Dubrovnik

Medien in Zagreb jubelten die Visite schon im Vorfeld zum wichtigsten außenpolitischen Ereignis des Jahres hoch. Kremlchef Wladimir Putin höchstselbst war mit der frohen Botschaft an die Öffentlichkeit getreten, als der neue kroatische Botschafter ihm Anfang Oktober sein Beglaubigungsschreiben überreichte: Tonćij Staničić, ein Karrierediplomat. Bisher wurden mit dem Amt meist Politiker »versorgt«, die beim internen Postenschacher zu kurz gekommen waren. Die letzten zwei Jahre vertrat sogar nur ein Geschäftsträger den Adriastaat in Moskau. Inzwischen tagte auch die gemeinsame Regierungskommission unter Leitung der Wirtschaftsminister wieder. Das letzte Plenum liegt sieben Jahre zurück.

Gut war das Verhältnis der beiden slawischen Brüder nie. Dass Moskau während der jugoslawischen Teilungskriege in den 1990er Jahren Kroatiens Hauptgegner Serbien unterstützte, ist nur die Spitze des Eisbergs. Nach dem NATO-Beitritt 2009 setzte neben Polen und den baltischen Staaten vor allem Kroatien auf schrille antirussische Rhetorik. Brüsk lehnte Zagreb sogar Hilfe durch russische Löschflugzeuge bei Waldbränden ab. Aeroflot traf der Bannfluch indes nicht. Die staatliche Gesellschaft flog im Sommer täglich von Moskau nach Dubrovnik. Russische Sonnenanbeter ließen dort viel Geld. Doch nach der Ukraine-Krise 2014 war damit Schluss. Auch kroatische Landwirte leiden schwer unter dem Einfuhrstopp für europäische Lebensmittel, mit denen Moskau westliche Sanktionen kontrakarierte.

Auch um Möglichkeiten zur Lockerung des Embargos ging es, als sich Davor Ivo Stier, der Vordenker der regierenden nationalkonservativen Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) und damals Außenminister, im Mai in Moskau mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow über einen Neustart der Beziehungen einigte. Im Beisein beider Staatschefs sollen sollen jetzt auch zahlreiche Abkommen unterzeichnet werden, so zu Investitionen russischer Energiegiganten in Kroatien. Die Eröffnung eines russischen Zentrums für Wissenschaft und Kultur in Zagreb ist beschlossene Sache. Und zum Sturm auf die Herzen der Kroaten bringt Moskau seine »singende Waffe« in Stellung. Mitte November wird das Alexandrow-Ensemble der Armee erstmalig in Kroatien gastieren.

Die Opposition hatte die Russland-Politik der HDZ immer wieder kritisiert. Kroatien dürfe sich nicht als »Speerspitze antirussischer Politik« inszenieren, warnte etwa Expräsident Ivo Josipović, als das Parlament die eher symbolische Beteiligung an der zusätzlichen Stationierung von NATO-Soldaten an Russlands Westgrenzen absegnete. Den abrupten Kurswechsel seiner Nachfolgerin erklären Beobachter vor allem mit Agrokor. Denn zwei staatsnahe russische Banken - Sberbank und WTB - sind die wichtigsten Gläubiger des taumelnden Lebensmittelriesen. Er ist das größte private Unternehmen in Kroatien und eines der mächtigsten in Südosteuropa mit über 60 000 Beschäftigten. Dazu kommt Frust über Europa, das beim Grenzstreit mit Slowenien auf Seiten Ljubljanas steht.

Auch für Moskau hat Kroatiens Kehrtwende Vorteile: Die Restauration des russischen Einflusses auf dem Balkan ist ein außenpolitisches Thema, mit dem Putin oder dessen Nachfolger bei den Präsidentenwahlen 2018 punkten können; die Krim und Syrien sind »ausgelutscht«. Die neue Freundschaft zu Kroatien ist zugleich eine Gelbe Karte für die alten Freunde in Belgrad. Die Botschaft: Es gibt Alternativen, sollte Serbien es beim Flirt mit der EU zu weit treiben. Eine persönliche Botschaft, glaubt das hiesige Massenblatt »Jutarnji list«, habe Putin auch für Donald Trump. Überbringen solle sie die kroatische Präsidentin. Das sei der Grund dafür, dass sie gegen alle diplomatischen Gepflogenheiten zuerst Moskau und erst danach den wichtigsten Verbündeten Washington besucht.