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Der Bahn neues Leben eingehaucht

Für zwölf Millionen Euro haben das Land und die DB AG die Regionallinie RE 60 ertüchtigt

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Regionalbahnlinie RE 60 war, gelinde gesagt, auf den Hund gekommen. Mehr als Tempo 60 konnten die Triebwagen auf der eingleisigen Strecke ohnehin nicht fahren, die teils desolate Infrastruktur ließ eher weniger zu. Sehr zum Ärger des Betreibers, der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) und der Nutzer - neben Schülern auch viele Pendler. »Es hat nicht viel gefehlt, und die Strecke wäre uns verloren gegangen«, erklärte am Mittwoch Brandenburgs Verkehrs- und Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) bei einem Vor-Ort-Termin am Bahnhof Wriezen (Märkisch-Oderland). »Dank der inzwischen erfolgten Investitionen haben wir sie gerettet und in einem ersten Schritt stabilisiert.«

Der Bahnhof ist derzeit kein geeignetes Aushängeschild der Kleinstadt, obwohl die Bahnsteige modernisiert und gerade barrierefrei ausgebaut wurden. Die Deutsche Bahn (DB) hat das heruntergekommene Gebäude an einen privaten Investor verkauft, seither hat sich dort nichts getan. Die Tourismusinformation hat zwar ein Schild angebracht, doch per ungelenker Handschrift hat sie sich dort Ende September letztmalig auf einem Zettel hinter geborstenem Glas an ihre Kunden gewandt.

Doch die Stadt mit ihren rund 7300 Einwohnern ist klar ein Nutznießer der ertüchtigten Regionalbahn RE 60, auch wenn an diesem Vormittag nur wenige Reisende unterwegs sind. Als Schulstandort wächst ihre Bedeutung, zwei zusätzliche Grundschulklassen wurden in diesem Schuljahr aufgemacht. Und das Land hilft bei der Stadtentwicklung. Erst in der vergangenen Woche hat sie einen Förderbescheid über 800 000 Euro aus Mitteln von Bund und Land erhalten. Plus dem Eigenanteil in Höhe von 400 000 Euro stehen ihr 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Geld, mit dem Geld die Stadt die Kita-Kapazität erweitern will.

Vor rund drei Jahren hatte die Deutsche Bahn den überfälligen Ausbau der Strecke zwischen Wriezen und Fürstenwalde in Angriff genommen. Inzwischen wurden zwölf Millionen Euro investiert. So wurden, wie das Ministerium in Potsdam mitteilt, vier Kilometer neue Gleise verlegt, Brücken neu gebaut oder instand gesetzt und Bahnübergänge saniert. Darüber hinaus ist die Leit- und Sicherungstechnik modernisiert worden. Die Hälfte der Investitionssumme hat das Land getragen. Das scheint viel Geld für eine derzeit vergleichsweise schwach ausgelastete Strecke, die nach Angaben von Ministerin Schneider auf etwa 300 Nutzer pro Tag kommt.

Die Ergebnisse können sich dennoch sehen lassen: Abschnittsweise kann nun Tempo 80 gefahren werden, die Fahrtzeit verkürzt sich um fünf Minuten. Wichtiger noch ist vor allem für Pendler, dass die direkten Anschlüsse - in Eberswalde an den Regionalexpress RE 3, in Frankfurt (Oder) an den RE 1 - sichergestellt und mit Umsteigezeiten von vier beziehungsweise acht Minuten relativ komfortabel gestaltet werden. Die Reisezeit von Wriezen über Frankfurt (Oder) nach Fürstenwalde (Oder-Spree) verkürzt sich um 28 Minuten.

»Wir machen nun ein deutlich besseres Angebot auf der Strecke«, erklärte die Verkehrsministerin. »Musste man früher eine halbe Stunde auf den Anschluss an den RE 1 in Frankfurt (Oder) warten, sind es jetzt nur noch vier Minuten.« Die kürzeren Fahrzeiten seien attraktiv für alle, für die Bürger, aber auch für die Gäste der Region. Mobilität zu sichern und auszubauen gehöre zu den Zielen der vom Land in diesem Jahr beschlossenen Mobilitätsstrategie 2030. »Die Ertüchtigung der Regionalbahnlinie RB 60 ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Mit dieser Investition wollen wir die teilweise schwache Nachfrage auf der Linie erhöhen.«

Die Verkehrsministerin verwies auf den zu Wochenbeginn in Potsdam vorgestellten Entwurf des Landesnahverkehrsplans 2018, der vor allem dem Nahverkehr auf der Schiene eine höhere Priorität einräume: neue Linien, mehr Züge, bessere Infrastruktur. Der RB 60 fehle es noch an Attraktivität, dabei erschließe sie als Nord-Süd-Verbindung das Oderbruch und kreuze die so wichtige RB 26, die Richtung Kostrzyn grenzüberschreitende Oderlandbahn. Daher kündigte die Ministerin an, dass das Land in einem nächsten Schritt die Verkürzung des Zugtaktes auf der Strecke von zwei auf eine Stunde an.

Der Konzernbevollmächtigte der DB-Region Nord-Ost, Joachim Trettin, verwies darauf, dass Bahnmobilität im ländlichen Raum markt- und anschlussgerechter Reisezeiten sowie bedarfsgerechter Takte bedürfe. »Die zielgerechte Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen zur Reisezeitverkürzung, vor allem aber zur Sicherung von Anschlüssen ist der richtige Weg, um die Bahn auch in ländlichen Regionen attraktiv zu machen«, betonte er. Und er erinnerte daran, dass die Bahn 2016 für weitere Maßnahmen auf dem Abschnitt Werbig - Frankfurt (Oder) acht Millionen Euro ausgegeben habe. Zudem habe das Land weitere 2,5 Millionen Euro für Umbauten gefördert.

»Nach den umfangreichen Baumaßnahmen ist es sehr erfreulich, dass nun schon seit dem 11. Juni dieses Jahres die kürzeren Fahrzeiten zwischen Wriezen und Frankfurt (Oder) an die Fahrgäste weiter gegeben werden können«, äußerte NEB-Geschäftsführer Detlef Bröcker. »Da wir wissen, dass bequeme Umstiege vor allem für Berufspendler wichtig sind, denken wir, dass der bessere Übergang zwischen der RB 60 und dem RE 1 für ein attraktiveres Angebot sorgt und sich positiv auf die Fahrgastzahlen auswirken wird.«

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