• Politik
  • Russland und der US-Wahlkampf

Anzeigen in Rubel bezahlt

Facebook, Google und Co. sehen sich von russischer Propagandamaschine missbraucht

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Die großen Drei des Internets sind in Washington von ihrem weltumspannenden Höhenflug auf den Boden der harten politischen Realität der USA heruntergeholt worden. Fast gnadenlos hämmerten die Senatoren schon zu Beginn der dreitägigen Anhörung über russische Einflussnahme auf den Wahlkampf 2016 mit Hilfe von Facebook, Twitter und Google auf die Firmenvertreter ein.

Die versuchten, die eingestandene Nutzung ihrer Dienste durch russische Propaganda herunterzuspielen. Nur 0,0004 Prozent aller Facebook-Inhalte in jener Zeit seien aus russischen Quellen gekommen.

Senator Al Franken, Demokrat aus Minnesota, wurde zornig: »Facebook rühmt sich, Milliarden von Datenpunkten verarbeiten und sie in Echtzeit in persönliche Kommunikation mit den Nutzern machen zu können. Wie kann es sein, dass Facebook es dann nicht geschafft hat, festzustellen, dass Wahlanzeigen – bezahlt in Rubel – aus Russland kamen?«, fragte Franken am ersten der drei Tage dauernden Anhörung den Justitiar von Facebook, Colin Stretch. Franken, ein ehemaliger Fernsehcomedian, legte nach: »Da kaufen Leute Anzeigen auf Ihrer Plattform mit Rubel. Sie können nicht einfach nur «Hmmm» sagen, wenn politische Anzeigen mit Rubel bezahlt werden.«

Stretch zeigte sich zerknirscht. Gerade hatte er den Senatoren berichtet, dass vermutlich 126 Millionen Menschen Anzeigen angesehen haben, die von der Internet Research Agency eingestellt worden sind. Und diese Firma hängt eng mit dem Kreml in Moskau zusammen. Diese Firma hat demnach auch mehr als 1000 Videos auf YouTube gestellt und mehr als 131.000 Botschaften über Twitter versandt.

Die Internetfirmen haben nach Darstellung von Stretch nur wenig Möglichkeiten, die in den USA verbotenen politischen Anzeigen aus dem Ausland heerauszufiltern. Der Prozess werde automatisch von Algorithmen gesteuert, die die Anzeigen jenen Nutzern zuspielten, deren längst zuvor erfasstes Interessenprofil dazu passt. In der Riesenmenge der Facebook-Inhalte seien die Russen-Anzeigen mit 0,0004 Prozent praktisch untergegangen. »Wir hätten schärfer hinschauen müssen«, sagte Stretch. »Es gab Signale, die wir übersehen haben, aber auf die wir jetzt fokussiert sind.«

Bei der Anhörung legten die Internetfirmen erstmals wenigstens offen, wie sie während des Präsidentenwahlkampfs von der russischen Agitations- und Propagandamaschinerie missbraucht worden sind. Das öffentliche Interesse an der Russland-Verbindung war zu Wochenbeginn ohnehin wieder geweckt worden, weil Sonderermittler Robert Mueller drei frühere Mitarbeiter von Donald Trump wegen ihrer Russland-Verbindungen angeklagt hat. Es sind Paul Manafort, der Trumps Wahlkampfmanager für einige Zeit war, seine rechte Hand Richard Gates und der Wahlkampfhelfer George Papadopoulos. Er bekennt sich schuldig und arbeitet mit dem Ex-FBI-Chef Mueller zusammen.
Fernsehregeln auch auf das Netz anwenden

Einige Senatoren nutzten die Anhörung, um Präsident Trump und seine republikanische Partei vom Untersuchungsgegenstand – der Nähe zu oder gar Absprache mit Moskau – abzurücken. Russland gehe es nicht um die politischen Parteien, sagte Senator Charles Grassley, ein Republikaner aus Iowa. »Sein Ziel ist es, uns zu spalten und unsere Demokratie unglaubwürdig zu machen.«

Republikaner wie auch Demokraten sprachen sich dafür aus, die Regeln für Anzeigen mit politischen Inhalten bei Fernsehausstrahlungen auch auf die Internetmedien anzuwenden. »Heute ist es Russland, morgen kann es Iran oder Nordkorea sein«, sagte Senator Lindsey Graham, ein Republikaner aus South Carolina. »Wir müssen, uns zusammensetzen und Wege finden, um einiges von der Kontrolle, die wir über Funk und Fernsehen haben, auf die sozialen Netzwerke anzuwenden.«

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