Tarifpluralität statt Tarifeinheitsgesetz

Marburger Bund und ver.di wollen gemeinsam für Belange der Mitarbeiter im Gesundheitswesen eintreten

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Die zum DGB gehörende Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) verhandeln derzeit über eine Vereinbarung, mit der auch künftig die Tarifpluralität im Gesundheitswesen gewährleistet werden soll. Das gaben beide Organisationen am Donnerstag in einer gemeinsamen Presseerklärung bekannt. Dies sei »eine klare Botschaft an die Arbeitgeber, dass man sich in Tarifverhandlungen nicht gegeneinander ausspielen lässt«, erklärte der MB-Vorsitzende Rudolf Henke vor Pressevertretern. Hintergrund der angestrebten Vereinbarung ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz, das seit Juli 2015 in Kraft ist. Gegen das Gesetz, das die Tarifautonomie der jeweils kleineren Gewerkschaften in einem Betrieb aushebeln soll, hatten sowohl ver.di als auch der Marburger Bund und andere Spartengewerkschaften Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Karlsruher Richter entschieden im Juli 2017, dass das Gesetz zwar nicht als Ganzes gegen die Verfassung verstoße, aber keinesfalls die im Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften einschränken dürfe.

Henke betonte, dass in dem Urteil auch ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt werde, die Anwendung der gesetzlichen Regelungen zur Gültigkeit nur eines Tarifvertrags in einem Betrieb durch entsprechende Tarifvereinbarungen mit dem Arbeitgeber auszuschließen. »Genau diesen Weg wollen wir in Zukunft gemeinsam mit ver.di gehen«, so Henke weiter. Schließlich sei man sich einig in dem Bemühen, die Arbeits- und Vergütungsbedingungen und somit auch die Versorgungsqualität in den Kliniken im Sinne der Beschäftigten und der Patienten zu verbessern. In diesem Sinne äußerte sich am Donnerstag auch Sylvia Bühler, die bei ver.di den Fachbereich Gesundheit leitet. Man wolle deutlich machen, »dass nicht die jeweils andere Gewerkschaft das Problem ist, sondern die oft sture Verweigerung der Arbeitgeber, die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen entscheidend zu verbessern«.

Die Vereinbarung soll noch in diesem Jahr abgeschlossen werden und künftig in alle Tarifverhandlungen mit den Klinikträgern eingebracht werden. Allerdings müssen die entsprechenden Gremien der beiden Gewerkschaften noch zustimmen. Für die zweitägige Hauptversammlung des Marburger Bundes, die am Freitag in Berlin beginnt, erwartet Henke eine intensive und möglicherweise auch kontroverse Diskussion zu dem Vorhaben. Vielen Kollegen steckten noch die negativen Erfahrungen in den Knochen, die man als Ärztegewerkschaft mit ver.di in der gemeinsamen Tarifkommission gemacht habe. Doch jetzt gehe es nicht um alte Schlachten, sondern darum, »nach vorne zu schauen«. Er sei daher davon überzeugt, dass es auch beim MB breite Unterstützung für die angestrebte Vereinbarung geben werde.

Weitere Themen der Hauptversammlung sind die Erwartungen des MB an die künftige Bundesregierung und die Vorbereitung auf die anstehenden Tarifrunden. Wie auch ver.di fordert die Ärztegewerkschaft die Einführung verbindlicher Mindeststandards für die Personalausstattung der Kliniken. Maßstab dafür müsse allein der Versorgungsbedarf und keinesfalls die Erlössituation der Kliniken sein.

Eindringlich warnte Henke auch vor Überlegungen, die Arbeitszeit- und Mindestruhezeitregelungen im Sinne weiterer »Flexibilisierungen« aufzuweichen. Vielmehr bräuchten die Gewerkschaften ein »direktes Interventionsrecht« bei den zuständigen Behörden zur Unterbindung entsprechender Verstöße. Auch für das Tarifeinheitsgesetz, das die Bundesregierung nach dem Willen der Karlsruher Richter bis spätestens Ende 2018 in einigen Punkten nachbessern muss, hat der MB eine klare Empfehlung: Am besten sei es, dieses »unselige und in Teilen eindeutig verfassungswidrige Gesetz komplett ad acta zu legen«, so Henke.

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