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Teilentschuldung nicht vom Tisch

Regierung erwägt Hilfszahlungen an kreisfreie Städte bei Kooperationen mit Landkreisen

Die beiden Gesetzentwürfe zur Kreisgebietsreform und zur Funktionalreform werden zurückgezogen. Das hat das rot-rot Kabinett am Dienstag nun auch förmlich beschlossen, wie Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und sein Stellvertreter, der Finanzminister Christian Görke (LINKE), anschließend bekannt gaben.

Damit fällt das lange intensiv vorbereitete und dennoch umstrittene Vorhaben zumindest in der bisher geplanten Form aus. Die Diskussionen der vergangenen Jahre haben nach Ansicht von Woidke jedoch gezeigt, dass der »Reformbedarf allgemein anerkannt wird«. Jetzt gehe es darum, mit den Landkreisen, den kreisfreien Städten und anderen Kommunen »den richtigen Weg zu beschreiten«. Woidke kündigte an, die kommunale Familie zu Gesprächen einzuladen. »Im Gegeneinander kommt Brandenburg nicht voran - das geht nur gemeinsam. Der innere Zusammenhalt Brandenburgs ist ein wichtiges Ziel, dass dem Wohle der Menschen im Land dient.«

Finanzminister Görke fügte hinzu, die Beteuerungen der Landkreise und kreisfreien Städte, aufgrund der zuletzt positiven ökonomischen und demografischen Entwicklung auch in ihrer bisherigen Ausdehnung zukunftsfest zu sein, »nehmen wir selbstverständlich ernst«.

Die Regierung schlägt vor, einen Teil der Mittel, die für die Verwaltungsstrukturreform vorgesehen war, nun insbesondere für Investitionen in die Infrastruktur einzusetzen. Außerdem sollen Landkreise Unterstützung erhalten, wenn sie freiwillig fusionieren oder kooperieren möchten. Auch soll den kreisfreien Städten eine Teilentschuldung winken, wenn sie Bereitschaft zeigen, mit umliegenden Landkreisen zu kooperieren. Ursprünglich war eine Teilentschuldung für Cottbus, Brandenburg/Havel und Frankfurt (Oder) nur vorgesehen, wenn diese mit ihrem Umland fusionieren.

»Unser Anspruch muss es sein, dass eine wie auch immer geartete Teilentschuldung durch das Land nachhaltig wirkt«, erläuterte Finanzminister Görke. Denn es seien Mittel der Steuerzahler. »Wir wollen den Städten helfen, die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, dass danach nicht wieder neue Schulden entstehen.« Jetzt sei die Möglichkeit eröffnet, andere Wege für die Zukunft einer modernen, bürgernahen Verwaltung in allen Landesteilen zu diskutieren und zu vereinbaren. Die Einnahmen der Kommunen müssten verbessert werden, zum Beispiel durch Veränderungen beim kommunalen Finanzausgleich.

Nach der Notbremse werde es definitiv keinen Neustart zur Kommunalreform geben, hatte SPD-Landtagsfraktionschef Mike Bischoff am Dienstag versichert. Darin sei sich die Fraktion »komplett einig«. Es sei die richtige Entscheidung gewesen, »nicht mit dem Kopf durch die Wand zu gehen«. Denn, was hätte eine parlamentarische Mehrheit genutzt für eine Reform, »die im Land nicht gewollt ist«. Es habe am Montag im SPD-Landesvorstand Selbstkritik gegeben und auch »Spannungen«, räumte er ein, doch keine Kritik am Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzenden Woidke. Den Rücktritt von Generalsekretärin Klara Geywitz bedauerte Bischoff. »Ich habe ihr nahe gelegt, diesen Schritt nicht zu gehen.« Der Forderung von CDU und AfD nach einer Auflösung des Landtags und Neuwahlen erteilte Bischoff eine harsche Absage. Das markiere einen »Tiefpunkt« bei der CDU. Neuwahlen würden einen »totalen Stillstand« erzeugen. Eine CDU, die bei der Bundestagswahl über acht Prozentpunkte verloren habe, »muss uns nicht belehren«. In Brandenburg werde es »weiter eine stabile rot-rote Koalition geben«.

Die CDU-Forderung nach Neuwahlen wies auch Linksfraktionschef Ralf Christoffers zurück. »Das Instrument nutzt sich langsam ab«, sagte er. Wie bereits im »nd«-Gespräch am Freitag verteidigte Christoffers auch am Dienstag noch einmal das Abblasen der Kreisreform. Die Gebietsreform sei für die LINKE nie das zentrale Vorhaben der Legislaturperiode 2014 bis 2019 gewesen.

Die CDU-Fraktion hatte einen Antrag auf Auflösung des Landtags vorgelegt. Für diesen hatte allerdings lediglich die AfD Unterstützung signalisiert und darüber hinaus einen eigenen Auflösungsantrag ankündigt. Für eine Auflösung des Landtags müssten zwei Drittel der 88 Abgeordneten stimmen. CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben erklärte, LINKE und SPD klebten an der Macht. Man wolle mit dem Antrag deutlich machen, was Folge des Scheiterns der Landesregierung sein müsste.

Die Grünen wollen den beiden Auflösungsanträgen der anderen Oppositionsfraktionen nicht zuzustimmen. Das stellte Fraktionschef Axel Vogel klar. Etwas anderes wäre es, wenn sich SPD und LINKE entscheiden würden, die Koalition nicht fortzusetzen, meinte Vogel.

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