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  • Linkspartei nach der Wahl

Höhn und Tiefen

Das Verhältnis zwischen dem Bundesgeschäftsführer und den Parteichefs der LINKEN war nicht mehr zu kitten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Matthias Höhn hatte sich in den vergangenen Jahren regelmäßig in einer Kolumne an die Besucher der Linkspartei-Website gewandt. In den Texten, die unter dem Titel »Höhn und Tiefen« erschienen, griff der sachsen-anhaltische Politiker aktuelle Themen im In- und Ausland auf. Als Beispiele seien hier nur die Umwandlung der Türkei in eine Diktatur und der einstige Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest genannt. Mit dem Kalauer-Titel lässt sich nun auch die abgelaufene Amtszeit Höhns beschreiben. Er will an diesem Freitag, einen Tag vor der nächsten Vorstandssitzung der LINKEN, als Bundesgeschäftsführer zurücktreten, wie das »nd« aus Parteikreisen erfuhr.

Höhn hatte das Amt des Parteimanagers in einer sehr schwierigen Zeit übernommen. Die LINKE galt beim Göttinger Bundesparteitag im Juni 2012, auf dem der heute 42-Jährige gewählt wurde, als heillos zerstritten. Höhn hatte zuvor versucht, zwischen den unterschiedlichen Flügeln im Parteivorstand mit den Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst zu vermitteln. Allerdings schlossen die Lager erst nach der Wahl von Katja Kipping und Bernd Riexinger, die seit dem Parteitag in Göttingen das neue Spitzenduo der Partei bilden, eine Art Burgfrieden. In der LINKEN wurde es ruhiger. Vor allem deswegen konnte trotz großer Stimmenverluste eine Blamage bei der Bundestagswahl 2013 vermieden werden.

Die Stabilisierung der Partei bei Wahlen zählt ebenso zu den Erfolgen in Höhns Amtszeit wie die jüngste Mitgliederentwicklung. Im vergangenen Jahr verzeichnete die LINKE so viele Eintritte wie seit 2009 nicht, und der jahrelange Mitgliederschwund wurde gestoppt. 2016 traten 5406 Personen in die Linkspartei ein. In diesem Jahr wurden bis Ende September sogar schon 6709 Neumitglieder begrüßt, wie Höhn kürzlich erfreut im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte.

Trotzdem wurde intern in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik am Bundesgeschäftsführer geübt. Im September vergangenen Jahres fiel ein von ihm erarbeitetes Strategiepapier für den Wahlkampf im Vorstand durch. In Parteikreisen hieß es, dass sich Höhn zu stark auf ein mögliches rot-rot-günes Regierungsbündnis konzentriert habe. Er hatte etwa geschrieben, dass die LINKE einen Regierungswechsel wolle, um linke Politik durchzusetzen. Für die Regierungsskeptiker im Vorstand war das zu viel. Sie forderten, dass sich die LINKE stärker von SPD und Grünen abgrenzen müsse.

Der endgültige Bruch zwischen Höhn und den Parteivorsitzenden manifestierte sich kurz nach der Bundestagswahl im September. Kipping und Riexinger hätten ihm intern vorgeworfen, so hieß es, sie nicht öffentlich gegen die Kritik des saarländischen Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine in Schutz genommen zu haben. Die Rede war von gegenseitigem Misstrauen und einer fehlenden Basis für eine weitere Zusammenarbeit im Vorstand. Lafontaine hatte kurz nach der Bundestagswahl erneut die Flüchtlingspolitik des Bundesvorstands als »verfehlt« kritisiert und in einer Kolumne das vergleichsweise schwache Abschneiden von Riexinger in Baden-Württemberg und von Kipping in Sachsen betont.

Die Hintergründe des Konflikts sind aber nicht nur inhaltliche Auseinandersetzungen, sondern auch Machtfragen. Die beiden Parteivorsitzenden waren offenkundig unzufrieden damit, dass die Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch früh die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl für sich beansprucht hatten. Höhn, der nun selbst in den Bundestag eingezogen ist, soll sich damit kampflos abgefunden haben. Er gilt als enger Vertrauter von Bartsch. Beide sind Mitglied der sogenannten Reformerströmung, die sich im parteiinternen Forum Demokratischer Sozialismus (fds) organisiert hat.

Mit dem Ausscheiden von Höhn dürfte das fds nicht mehr in der engeren Parteiführung vertreten sein. In Medienberichten hieß es, dass Jan van Aken kommissarisch den Job übernehmen solle. Doch der Hamburger, der nicht mehr für den Bundestag kandidert hatte, dementierte dies umgehend auf Twitter. Er steht Kipping politisch nahe und hatte sie auch verteidigt, als der »Spiegel« vor einigen Jahren behauptete, dass aus ihrem Umfeld ein Papier erarbeitet worden sei, in dem Politiker aufgelistet wurden, die man als »personelle No-Gos« bezeichnete. Während einige Vertreter des fds ebenfalls Vorwürfe gegen Kipping erhoben, meinte van Aken, dass ihr das Papier »angedichtet« worden sei. Die nächsten Vorstandswahlen sind beim Bundesparteitag im Juni kommenden Jahres in Leipzig geplant.

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