nd-aktuell.de / 14.11.2017 / Politik / Seite 5

Hausdurchsuchung wegen Kurdenfahne

Polizei ermittelt: Münchener Wissenschaftler und Aktivist Kerem Schamberger postete YPG-Symbole auf Facebook

Sebastian Bähr

Polizisten haben in München am Montagmorgen eine Hausdurchsuchung gegen einen Unterstützer der syrisch-kurdischen Miliz YPG/YPJ durchgeführt. Fünf Beamte betraten laut Medienberichten gegen 6 Uhr die Wohnung von Kerem Schamberger, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität München arbeitet. Der 31-Jährige berichtet regelmäßig auf seinem Blog und in sozialen Netzwerken über die politischen Entwicklungen in der Türkei sowie in den kurdischen Gebieten Syriens und des Irak.

Der Ermittlungsrichter begründete die Durchsuchung mit dem Zeigen von YPJ-, YPG- sowie PYD-Fahnen auf Schambergers Facebook-Profil. Die Staatsanwaltschaft erklärte gegenüber Medien, dass es keine Anklage gab und die Ermittlungen von Amts wegen geführt werden. Bereits Mitte August hatte die Münchener Polizei mehrere Wohnungen vermeintlicher Kurdenunterstützer mit besagter Begründung durchsucht. Gegenüber »nd« zeigte sich Schamberger empört: »Mit solchen Hausdurchsuchungen macht sich die bayerische Polizei und Justiz zum Handlanger der AKP-Diktatur«, sagte der Kommunikationswissenschaftler und erklärte Marxist. Sie agiere damit ganz im Sinne des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der immer wieder eine härtere Verfolgung von kurdischen Aktivitäten in Deutschland gefordert hatte. Laut Schamberger beschlagnahmten die Polizisten sein Handy, USB-Sticks sowie seinen Laptop.

Die kurdische Miliz YPG/YPJ ist der bewaffnete Arm der Partei PYD. Diese ist der Hauptpartner der US-geführten Koalition im Kampf gegen den Islamischen Staat in Syrien. Die Vereinigten Staaten unterstützen die Miliz mit Waffen, auch der deutsche Nachrichtendienst BND soll nach Informationen des Bayrischen Rundfunks mit ihr zusammenarbeiten. Die PYD sowie die YPG/YPJ sind weder in Deutschland noch in der EU verboten.

Das Bundesinnenministerium schränkte im März dennoch das Zeigen der entsprechenden Organisationssymbole auf Demonstrationen und in sozialen Netzwerken ein. Die verbotenen Zeichen würden laut einer Behördenerklärung vom April von der »PKK ersatzweise für ihre Zwecke verwendet«. Die Kurdische Arbeiterpartei ist in Deutschland seit 1993 verboten. Die Türkei hatte immer wieder darauf bestanden, dass die YPG mit der PKK gleichzusetzen wäre, die syrischen Kurden widersprachen.

Die Erklärung des Bundesinnenministeriums vom März war de facto eine Konkretisierung des PKK-Verbots. Die Behörde liegt mit ihrer Einschätzung der syrischen Kurden demnach näher bei der Bewertung der Türkei als etwa der USA. In dem »nd« vorliegenden Durchsuchungsbeschluss im Falle Schambergers wird die PYD nun als »Unterorganisation der PKK« bezeichnet.

»Es ist eine politische Entscheidung der Union und SPD gewesen, den Hauptbündnispartner der Anti-IS-Koalition als terroristisch zu brandmarken«, sagte Kerem Schamberger zu dieser paradoxen politischen Situation. Es stelle sich für ihn die Frage, wie die Regierung mit dem Widerspruch umgehen will, dass deutsche Tornado-Flieger an eben jene Verbündeten Aufklärungsbilder liefern. Arbeite die Bundeswehr etwa mit »Terroristen« zusammen?