»Sie werden einen politischen Preis zahlen«

Die Organisatoren von »People for Bernie« erzählen, was US-Demokraten tun müssen, um gegen Trump zu gewinnen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 7 Min.
In den letzten Tagen gab es in den USA unter Demokraten eine hitzige Diskussion um das Buch der ehemaligen Vorsitzenden des »Democratic National Comittee« (DNC), Donna Brazile. Was sagt uns das Buch über den Zustand der Partei?

Die Enthüllungen bestätigen noch einmal das offene Geheimnis, dass die Institutionen der Demokratischen Partei daran gearbeitet haben, die Vorwahlen zugunsten von Hillary Clinton zu beeinflussen. Das Buch belegt, was wir schon immer vermutet haben, nämlich, dass das DNC dafür gesorgt hat, dass Hillary Clinton die Vorwahlen gegen Bernie Sanders gewinnt. Und doch hat er, trotz schwieriger Bedingungen, 22 Staaten bei den Vorwahlen gewonnen und 260 Millionen Dollar an Kleinspenden eingenommen.

Zur Person

Winnie Wong ist Mitbegründerin von »People for Bernie«, einer Bewegung von Unterstützern Bernie Sanders. Seit 2012 half sie bei der Koordination der 60 000 Freiwilligen der Initiative »Occupy Sandy«, die nach dem Sturm »Sandy« entstand. 2011 war sie Mitbegründerin von Occupy Wall Street. Mit ihr sprach in Brüssel bei einer Konferenz der GUE/NGL-Fraktion im EU-Parlament Moritz Wichmann.

Foto: Uwe Stümke/Delegation DIE LINKE im Europaparlament

Es zeigt auch, wie stark der Einfluss von Anwälten, Lobbyisten und Beratern auf die Partei ist, und beweist ohne Zweifel, dass ihr starker Einfluss verantwortlich ist für die großen Verluste der Demokraten bei den Wahlen der letzten Jahren. Man hat viel Geld für diese Berater ausgegeben, aber das war nicht erfolgreich. Die Demokraten müssen reformiert werden, vom Einfluss dieses Geldes gesäubert werden.

Gleichzeitig gab es aber auch eine Unzufriedenheit mit Protest von Occupy Wall Street.
Wir haben »People for Bernie« gegründet, weil Occupy Wall Street seine Forderungen nicht in parlamentarische Politik umsetzen konnte. Wir hatten einfach keine Kandidaten, die Occupy-Positionen vertreten haben und wir dachten, Bernie Sanders wäre die perfekte Verkörperung dafür, diese Forderungen in parlamentarische Arbeit zu übersetzen.

Ein Jahr nach dem Wahlerfolg von Donald Trump wird unter Demokraten immer noch debattiert, was passiert ist und was man jetzt tun müsse. Was denken Sie?
Die Demokraten müssen transparenter und diverser werden und sie müssen offener sein für den Sanders-Flügel. Sie müssen Schlüsselpositionen an Leute aus der Sanders-Kampagne vergeben, weil wir ihnen helfen können, die Demokraten von unten neu aufzubauen. Dazu ruft ja auch Bernie auf, zur Erneuerung der Partei und zum Aufbrechen der starren Machtstrukturen der Partei. Wir wissen einfach, wie man das macht. »People for Bernie« ist ja nicht nur eine Facebook-Seite, sondern eine große digitale Community von über hundert verschiedenen Facebook-Seiten und Gruppen. In den letzten zwei Jahren haben wir viele Menschen erreicht. Unsere Posts haben sich im digitalen Dorfplatz weit verbreitet. Seit unserer Gründung haben unsere Posts fünf Milliarden Timelines erreicht, das ist wichtiger als all das Gerede über den Einfluss von Russland.

Teil dieser starren Machstrukturen in der Partei, die sie kritisieren, ist das »Democratic National Comittee«. Dort hat im Februar nach einer Auseinandersetzung um die Neubesetzung der Parteispitze der Obama-Mann und Zentrist Tom Perez gegen den Bernie-Flügel gewonnen, bei der Besetzung wichtiger Posten im DNC hat er in den letzten Monaten seine Kandidaten durchgesetzt. Es scheint nicht so gut zu laufen mit der Reform der Parteistrukturen der Demokraten und einer Öffnung nach links.
Es wird ein weiteres Treffen im Dezember geben und im Januar wird die Reformkommission dann Vorschläge abgeben. Diese Vorschläge werden Perez dann vorgelegt und dann wird er sie entweder annehmen oder zurückweisen, wir werden sehen.

Ein Argument in der Diskussion über die beste Strategie gegen US-Präsident Trump ist ja, dass es nicht ausreicht, einfach nur »Anti-Trump« zu sein.
Man muss den Leuten eine alternative politische Vision geben. Und man muss eine solche Vision in authentische Politik einbetten, in Vorschläge, wie sie das Leben der Leute verbessern. Die Clinton-Kampagne hat deswegen nicht gewonnen, weil sie das nicht bieten konnten. Letzte Woche gab es eine Serie von Wahlen in Virginia und anderen Staaten, die gute Ergebnisse für die Demokraten gebracht haben. Aber das ist deswegen passiert, weil die zentristischen Kandidaten mit linken Grassroots-Aktivisten zusammengearbeitet haben.

Was sind die Themen, mit denen die Demokraten gewinnen können, die über »gegen-Trump-sein« hinausgehen?
Eine staatliche Gesundheitsversorgung für alle (»Medicare for all«), bezahlbare Wohnungen, ein Lohn, von dem man leben kann, ein Rückbau unseres Gefängnissystems und eine Bekämpfung des systematischen Rassismus in unserem Justizsystem, Geschlechtergleichheit und Bekämpfung des Klimawandels. Das ist nicht sehr kompliziert, das ist alles ausbuchstabiert durch die fortschrittliche Plattform von Bernie Sanders. Nichts davon ist schockierend oder radikal. Wir fordern ja nicht die Verstaatlichung der Unternehmen, wir wollen lediglich, dass die Menschen im »größten und wohlhabendsten Land der Erde« in Würde leben und sterben können. Wir haben die Ressourcen, um das möglich zu machen und ihnen eine gute Gesundheitsversorgung zu bieten. »Medicare for all« als wichtigstes Thema schließt alle ein und lässt niemanden zurück.

Der Widerstand gegen die Versuche der Republikaner, Obamacare - das ja immer noch weitgehend auf den privaten Gesundheitsmarkt setzt - abzuschaffen, war erfolgreich, das Vorhaben ist derzeit »politisch tot«. Aber wie bringt man nun »Medicare for all«, eine allgemeine staatliche Gesundheitsversorung, praktisch voran in den USA?
Dafür müssen wir uns mit der Versicherungsindustrie und den großen Pharmaunternehmen anlegen. Ein »single payer system« wo alle einzahlen, ist das, was wir brauchen. Finanzieren könnte man dies mit einer geringen Erhöhung der Einkommenssteuer. Umfragen zeigen, dass die meisten Amerikaner »Medicare for all« unterstützen. Ein solches System könnte aber auch mit einer Finanzmarkttransaktionssteuer bezahlt werden. Es gibt verschiedene Arten, eine allgemeine Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Studien von Wirtschaftswissenschaftlern haben gezeigt, dass das bezahlbar ist. Es braucht nur politischen Willen. Wir werden diesen politischen Willen aber nur erzeugen, wenn wir als Bernie Sanders’ Bewegung dafür sorgen, dass progressive Kandidaten gewählt werden und die Demokraten, die dieses Projekt nicht unterstützen, einen politischen Preis dafür bezahlen. Und diese Strategie funktioniert. Mittlerweile unterstützen schon 17 Mitglieder der Demokraten im Senat einen entsprechenden Gesetzesentwurf von Bernie Sanders.

Eine weitere Möglichkeit, progressive Kandidaten in die Parlamente zu bringen und Druck für »Medicare for all« zu machen, bieten die »midterms«, die Kongresswahlen nächstes Jahr.
Wir haben noch nicht entschieden, ob wir einzelne Kandidaten unterstützen werden. Wir entscheiden als Kollektiv jedes Mal neu, wenn eine Wahl oder eine Volksabstimmung ansteht oder ein Kandidat nach unserer Unterstützung anfragt. Wenn wir es tun, dann verbreiten und vervielfachen wir seine Message, wir geben ihnen einen digitalen Schub: »Unterstützt seine Petition, spendet für sie«. Wir selbst sammeln keine Wahlkampfspenden, aber die Nachfolgeorganisation der Kampagne von Bernie »Our Revolution« tut genau diese Arbeit, und wir unterstützen sie.

Bernie Sanders hat gesagt, junge Linke sollen die Partei übernehmen.
Er ist sehr pragmatisch und startet gerade eine Graswurzelbewegung im ganzen Land. Er will, das junge Menschen sich als Wähler der Demokraten registrieren, selber für Ämter antreten und unterstützt diese Kandidaten. Alle schauen nur darauf, was in Virginia passiert, aber im ganzen Land haben letzte Woche sehr diverse, neue und auch linke Kandidaten gewonnen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die »politische Revolution« Wurzeln geschlagen hat. Ob ein Kandidat von einer Bernie-Gruppe unterstützt wurde, ist da nicht so wichtig.

Was macht »People for Bernie« nächstes Jahr?
Wir überlegen, wie wir uns an den Midterm-Wahlen 2018 am besten beteiligen können: Ein paar Leute von »People for Bernie« werden in New York, Michigan, Chicago und Kalifornien für Schlüsselsitze kandidieren, und die unterstützen wir natürlich. Es geht uns nicht nur um die nationale Politik. »Alle Politik ist lokal«, das ist ein Mantra von »People for Bernie«. Wir werden sie mit unseren Freiwilligen und unseren digitalen Kapazitäten unterstützen. Und vielleicht werden wir unsere ziemlich große E-Mailliste dafür einsetzen Kleinspenden für progressive Kandidaten zu sammeln.

Transparenz-Hinweis: Das Interview entstand bei der Veranstaltung »First Year of President Trump« in Brüssel, organisiert von der Linksfraktion im Europaparlament, die zugleich Kosten für Reise und Unterbringung übernahm.

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