nd-aktuell.de / 17.11.2017 / Politik / Seite 7

Holocaust-Museum sammelt Belege für Genozid in Myanmar

US-Außenminister Rex Tillerson verlangt unabhängige Untersuchungen über Missbräuche an Rohingya-Muslimen

Daniel Kestenholz, Bangkok

Der höchste Diplomat der USA bemühte sich um eine diplomatische Wortwahl zur Tragödie der Rohingya, ohne dabei wachsende Befürchtungen zu verschweigen, dass in Myanmar Völkermord begangen werde. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Myanmars De-facto Staatschefin Aung San Suu Kyi zeigte sich Tillerson »zutiefst besorgt über glaubwürdige Berichte von weit verbreiteten Gräueltaten«, die von der Armee des Landes begangen worden seien. Tillerson forderte eine »glaubwürdige und unparteiische Untersuchung« über angebliche Missbräuche gegen Rohingya-Muslime, die seit Ende August zu Hunderttausenden ins nachbarliche Bangladesch geflohen sind.

»Die jüngsten schwerwiegenden Anschuldigungen von Missbräuchen im Rakhine-Staat,« so Tillerson, »verlangen eine glaubwürdige und unparteiische Untersuchung, und diejenigen, die Menschenrechtsvergehen oder -verletzungen begehen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden.«

Doch während Dutzende amerikanischer Abgeordneter ihre Regierung unter Druck setzen, gezielte Sanktionen und Reiseverbote gegen Myanmars Militärführung zu verhängen, erachtet Tillerson Sanktionen als »nicht ratsam« zu diesem Zeitpunkt. Es gehe auch darum, so der US-Außenminister, »Myanmar zu unterstützen. Wir wollen, dass Myanmar Erfolg hat. Wir wollen, dass seine Demokratie Erfolg hat.«

Gänzlich unbeeindruckt von Druck von außen stellte sich diese Woche auch auch Tatmadaw, wie Myanmars Streitkräfte heißen, einen Persilschein zu den Rohingya aus. Es sei kein einziger Übergriff eines Soldaten nachgewiesen worden. Der Bericht, der von Amnesty International als »absurd« verurteilt wurde, dementiert, dass Myanmars Armee Rohingya getötet, Dörfer zerstört, Frauen und Mädchen vergewaltigt und gebrandschatzt hätten.

Myanmars Armeechef General Min Aung Hlaing bekräftigte auf Facebook, wenn es Gewalt gegeben habe, dann waren es »extremistische bengalische Terroristen« der widerständischen ARSA-Rebellen (Arakan Rohingya Heilsarmee).

Immer neue Flüchtlinge aber, die Bangladesch erreichen, sprechen von einer ganz anderen Realität. Mütter geben an, Kinder seien vor ihren Augen erschossen oder in Feuer geworfen worden. Frauen und Mädchen seien systematisch vergewaltigt worden. Während US-Außenminister Tillerson zu einem eintägigen Besuch in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw weilte, verwies das US-Holocaust-Museum auf »immer mehr Beweise für Völkermord« im ehemaligen Burma.

Der Bericht mit dem Titel »Sie versuchten, uns alle zu töten« wurde vom Simon-Skjodt Zentrum für die Verhinderung von Genozid des Holocaust Memorial Museum der Vereinigten Staaten veröffentlicht. Bei diesem schnellsten Massenexodus der Welt seit Ruanda, so heißt es, hätten Myanmars Armee und buddhistische Bürgerwehren Massenmord, Brandstiftung und Vergewaltigungen begangen. Was die Vereinten Nationen als »Lehrbuchbeispiel für ethnische Säuberung« verurteilten, bezeichnete das Zentrum als »Mechanismus« von Myanmars Militär »zur Begehung von Massengrausamkeiten«.

Basierend auf Gesprächen mit mehr als 200 Rohingya-Flüchtlingen, die Hälfte davon Frauen, folgert der Bericht, dass die Regierung von Aung San Suu Kyi ein Umfeld für Massengewalt und Gräueltaten aufrechterhalten habe, unter anderem durch die Diskriminierung der Rohingya-Gemeinschaft. Der Bericht appelliert an Myanmars Regierung, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung der Rohingya einzustellen, humanitären Organisationen den Zugang zum Krisengebiet zu ermöglichen und die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen vor Gericht zu bringen. Außerdem wird empfohlen, nicht auf eine formelle rechtliche Bestätigung des Völkermordes zu warten, sondern unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, indem die internationale Gemeinschaft den Fall an den Internationalen Strafgerichtshof verweist, der Gräueltaten von solchem Ausmaß untersucht und verfolgt.