Babis auf Partnersuche

Dem tschechischen Wahlsieger bleibt wohl nur ein Minderheitskabinett

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Regierung des Milliardärs und Chefs der Bewegung ANO, Andrej Babis, könnte längst stehen. Er selbst müsste nur auf die Funktion des tschechischen Ministerpräsidenten verzichten. So jedenfalls sieht es der Vorsitzende der Bewegung STAN (Bürgermeister und Unabhängige), Jan Farsky. So könnte eine Regierung mit dem ANO-Spitzenpolitiker Martin Stropnicky an der Spitze durchaus eine parlamentarische Mehrheit finden. Davon allerdings wollen Babiš und sein präsidialer Gönner Milos Zeman nichts wissen. Der Pakt zwischen den beiden sieht vor, dass der Agro- und Medienunternehmer auf den Regierungssessel steigt, Zeman hingegen dessen Unterstützung für die kommende Präsidentenwahl erhält. Das Machtspiel sorgt zunehmend für Unmut in der Bevölkerung.

»Schande, Schande!« riefen die Demonstranten am Freitag auf der Veranstaltung zum Gedenken an den 17. November 1939. Der Tag hat besondere Bedeutung in der tschechischen Geschichte. Damals ließen die deutschen Besatzer protestierende Studenten ermorden, 1989 machte die »Samtene Revolution« den Weg frei aus der kommunistischen Ära.

Babis und nach ihm der rechtsextreme Tomio Okamura wollten Kränze am Denkmal des 17. November in Prag niederlegen und wurden vom demonstrierenden Publikum ausgebuht. Das lang anhaltende Machtgezerre geht den Tschechen inzwischen auf die Nerven. Fest steht, dass keine Partei - außer Okamuras rechter SPD (Freiheit und direkte Demokratie) - mit Babiš koalieren will. Der ANO-Chef müsste eine Minderheitsregierung bilden und wäre von Fall zu Fall, von Gesetz zu Gesetz, von wechselnden Mehrheiten abhängig. Vor allem aber müsste die Regierung erst einmal überhaupt das Vertrauen des Abgeordnetenhauses bekommen.

Der Modus sieht folgendes vor: Zweimal darf der Präsident den Regierungschef vorschlagen. Wird dieser jeweils vom Parlament abgelehnt, erhält dessen Chef das Vorschlagerecht. Dagegen ist kein Veto vorgesehen. Sollte es also ANO gelingen, in der konstituierenden Sitzung des Abgeordnetenhauses am Montag ihren Kandidaten zum Parlamentspräsidenten durchzubekommen, käme Babis einer Regierungsbildung deutlich näher.

Dies zu verhindern, haben sich die Kräfte der kleineren im Parlament vertretenen Parteien zusammengeschlossen. Die Bürgerdemokraten (ODS), die christdemokratische KDU-CSL, TOP09 sowie STAN wollen in einem Bündnis ANO herausfordern. Die Bewegung von Babis müsste, um ihren Kandidaten Radek Vondracek als Parlamentspräsident durchzubringen, nun um die Gunst von SPD, den Kommunisten sowie den mit 22 Abgeordneten vertretenen Piraten buhlen. Ob das gelingen kann, wird allerdings noch angezweifelt. Denn eigentlich hat Babis - mit Rücksicht auf seine Wählerschaft - jegliches Zusammengehen mit den Rechtsextremen Okamuras ausgeschlossen.

Man darf also mit einiger Spannung auf den Ausgang der Parlamentssitzung am Montag blicken - und auf die Reaktion, die Präsident Milos Zeman anschließend zeigen wird.

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