Misstöne im Bundestag

Bisherige Fraktionen haben ihre liebe Mühe mit der AfD

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 5 Min.

»Die Eurozone war von Beginn an eine Fehlkonstruktion«, sagt Andrej Hunko von der Linksfraktion am Dienstag am Anfang seiner Rede. Im Beifall der AfD geht seine weitere Erklärung zunächst unter. Der Bundestag debattiert über den ersten Sachantrag, den die Fraktion auf der ganz rechten Seite eingebracht hat, und dieser ist dem Thema Eurozone und Anleihekaufprogramme der Europäischen Zentralbank gewidmet. Der Euro habe die EU zerrissen, kritisiert AfD-Fraktionschefin Alice Weidel am Rednerpult. Er werde gegen Recht und Gesetz künstlich vor dem Untergang bewahrt. Dagegen solle die Bundesregierung etwas tun.

Alice Weidel steht hochaufgerichtet am Pult, unterstreicht ihre Rede mit exaltierten Gesten, später am Platz quittiert sie kritische Bemerkungen mit höhnischem Lächeln. Ihr Auftritt ist eine sichtliche Provokation für viele alteingesessene Abgeordnete. Eckardt Rehberg von der CDU tritt mit hochrotem Kopf ans Pult. Und er zückt die für ihn wohl größte denkbare Waffe. Das eben Erlebte erinnere ihn an Auftritte von Erich Honecker und Walter Ulbricht in der DDR, stößt der ostdeutsche Politiker hervor. Demonstrativ entgeistert blickt Weidel ins Rund - immerhin ist in dem AfD-Antrag selbst von einer »transfersozialistischen sogenannten Eurorettung« die Rede, die es zu beenden gelte.

Was die Rechtsaußenfraktion schon mal erreicht hat: Die Fraktionen neben ihr wirken zuweilen leicht überfordert. Manuel Sarrazin von den Grünen formuliert es in der Euro-Debatte so: Der Antrag der AfD nehme die Abgeordneten in die Pflicht, »unsere Argumente zu schärfen, weil sich zeigt, dass die europäische Einigung nicht unumkehrbar ist«. Doch Sarrazin ruft eine nicht existierende Phalanx von Gleichgesinnten auf, die der AfD entgegentreten sollen. Ein Rezept gegen die neue Fraktion der Rechten wird schwerlich zu finden sein. Das liegt schon daran, dass die Fraktionen des Hauses sich beinahe nie auf irgendein Rezept einigen können, natürlich erst recht nicht in diesem Fall. Und es liegt daran, dass die Positionen der AfD einmal denen der Konservativen und einmal der Fraktionen weiter links nahekommen, auch wenn die Ähnlichkeit zuweilen nur dem ersten Blick standhält.

Am Dienstag sieht sich die LINKE mit ihrer Fundamentalkritik an der Eurozone am weitesten entfernt von der Kritik der Rechten, doch diese geriert sich halt ebenfalls als Fundamentalkritik. Für seine Partei hätte der Euro am Ende einer sozialen Integration der EU stehen sollen, nicht an ihrem Anfang, erklärt André Hunko. Über soziale Kriterien aber schweige sich der AfD-Antrag aus. Die AfD sei im Grunde fanatische Anhängerin des strukturellen Rahmens der EU, den die LINKE ablehnt, so versucht Hunko sich und seine Fraktion abzugrenzen. Später am selben Tag: AfD-Fraktionschef Alexander Gauland lehnt die Verlängerung des Bundeswehrmandats in Afghanistan ab wie die LINKE. Es ist Quatsch, dass die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt werde, sagt Gauland. Das sagt die LINKE auch.

Es ist nicht so einfach die »Argumente zu schärfen«. Auch für die Union nicht. Anhänger einer rigiden Flüchtlingspolitik in der CDU/CSU dürften der AfD wenigstens insgeheim zustimmen. Denn es ist kaum zu begründen, warum es richtig sein soll, Rückführungsbestrebungen der Bundesregierung nach Afghanistan richtig zu finden, aber die Worte von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland nicht: Afghanischen Flüchtlingen wirft dieser vor, »am Kudamm« Kaffee zu trinken, statt »beim Aufbau ihres Landes zu helfen« und erntet dafür Buhrufe.

Als es am Mittwoch schließlich auf Antrag der AfD um die Rückführung syrischer Kriegsflüchtlinge geht, nutzt der AfD-Abgeordnete Bernd Baumann die Argumente der Bundesregierung. Es gebe wie in Afghanistan sichere Gebiete, der Krieg sei nahezu beendet. Die Flüchtlinge aus Syrien wollten mit ihren Familien zusammen sein, so Baumann. »Wir können diesen Menschen helfen, unterstützen wir sie bei ihrer Rückkehr.« Zuvor hat ein Fraktionskollege Baumanns von Asylmissbrauchsintegration in Deutschland gesprochen. Man werde »entschlossen parlamentarischen Widerstand leisten«, ruft er angriffslustig aus und man meint das Echo in den Archiven verschwundener Reden im alten Reichstag zu vernehmen.

Stephan Harbarth von der CDU gibt der AfD gleichwohl Recht, dass Kriegsflüchtlinge nur einen Aufenthalt auf Zeit in Deutschland genössen. Dann hört die Zustimmung zum Glück auf. Grobe Vereinfachung, Auslassungen und Halbwahrheiten erkennt Harbarth in dem Antrag der Rechten. Die AfD wolle unschuldige Menschen in die Fänge von Diktator Assad treiben, kommentiert der CDU-Mann den Wunsch der AfD, mit Syrien über ein Rückführungsabkommen zu verhandeln. Stephan Thomae von der FDP spricht von einem vergifteten Antrag. »Der Wiederaufbau nimmt Fahrt auf«, heißt es in der Begründung der AfD, die die »freiwillige Rückkehr« von Kriegsflüchtlingen unterstützen will. »Schaufensterantrag« nennt Ulla Jelpke von der LINKEN den parlamentarischen Vorstoß. Ihre Fraktion könne der AfD die erkennbare Sorge um die Menschen in Syrien leider nicht abnehmen, entschuldigt sie sich ironisch bei der Fraktion. Der Union wirft Jelpke zugleich Lippenbekenntnisse vor. Während sie die AfD kritisiere, verhindere sie zugleich die Familienzusammenführung syrischer Kriegsflüchtlinge.

Eines ist nach den ersten Tagen im neuen Bundestag sichtbar: Die Fraktionen haben ein neues Problem. Und die LINKE vielleicht ein besonderes. Diente sie bisher als Projektionsfläche aller Vorbehalte und Dünkel der alteingesessenen Fraktionen, nimmt ihr die AfD-Fraktion diese Rolle nun teilweise ab. Leichter ist es dadurch nicht geworden.

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