121 homofeindliche Übergriffe registriert

Zahl im ersten Quartal auf konstant hohem Niveau / Aufklärungsrate weiter gesunken

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl homo- und transfeindlicher Übergriffe liegt weiterhin auf hohem Niveau. In den ersten drei Quartalen 2017 wurden Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Interpersonen (LSBTI) 121-mal Ziel von Hasskriminalität wegen sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität. Das sagte der Opferbeauftragte der Berliner Polizei Wolfram Pemp am Donnerstag und stützte sich dabei auf aktuelle Daten aus der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik.

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl nur geringfügig gesunken: Im gleichen Zeitraum 2016 waren es 123 Übergriffe gewesen. 2015 waren es mit 107 noch wesentlich weniger Übergriffe von Januar bis Oktober gewesen.

Die Tatorte lagen wie in den vergangenen Jahren vor allem in den Bezirken Mitte, Schöneberg und Neukölln. Geringfügig gesunken ist Pemp zufolge die Aufklärungsquote der angezeigten Taten. Während sie in den Monaten Januar bis Oktober 2016 bei 43 Prozent lag, waren es im gleichen Zeitraum dieses Jahres lediglich 38 Prozent.

Pemp stellte die Zahlen fast schon traditionell im Rahmen der Verleihung des Respektpreises 2017 vor. Die Auszeichnung verleiht das Bündnis gegen Homophobie seit 2010. In diesem Jahr ging sie an die Tagesspiegel-Kolumne »Heteros fragen, Homos antworten«, dem »ersten LSBTI-Blog einer großen Tageszeitung in Deutschland«, hieß es in einer Mitteilung des Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, der das Bündnis gegen Homophobie koordiniert. In 50 Folgen wurde mit allerlei Vorurteilen und Stereotypen aufgeräumt.

Nominiert waren auch die Pastorin Dagmar Wegener aus Schöneberg, die im vergangenen Jahr das erste lesbische Paar getraut hatte, sowie der Youtube-Star Florian Mundt alias LeFloid, der Hasskommentare gegen Homosexuelle in seiner Sendung immer wieder zum Thema gemacht hat. Vierte Nominierte war die Schöneberger Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) für ihr vielfältiges Engagement für die LSBTI-Community. Unter anderem war ihr Bezirk der erste, der am 1. Oktober dieses Jahres eine »Ehe für alle« besiegelte.

Für das Jahr 2016 hatte das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo 659 Hinweise zu möglichen homo- oder transphoben Übergriffen erhalten. Daraus filterten die Projektmitarbeiter 291 Einzelfälle heraus. Das waren 40 Übergriffe mehr als im Jahr 2015. Die Dunkelziffer liegt nach Schätzungen des Anti-Gewalt-Projekts noch wesentlich höher. 243-mal waren schwule oder bisexuelle Männer Opfer, 13 Betroffene waren weiblich, 25-mal richteten sich Straftaten gegen Transpersonen.

Im September dieses Jahres wurde ein schwuler Mann am Oranienplatz in Kreuzberg besonders brutal angegriffen. Der Radfahrer war mit zwei Unbekannten in Streit geraten, weil er mit seinem Fahrrad ihrem ungünstig abgestellten Auto ausweichen musste. Daraufhin beleidigten die beiden den Mann homophob. Er bestätigte, schwul zu sein, woraufhin die Angreifer ihn niederschlugen. Als der Mann am Boden lag, kam noch ein dritter Angreifer dazu und trat mit den beiden gemeinsam auf den 42-Jährigen ein. Die Angreifer entkamen unerkannt.

Um Opfern von Übergriffen eine bessere Unterstützung zu ermöglichen, hatte sich Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, Einrichtungen zur Opferhilfe und zur Gewaltprävention für LSBTI-Menschen auszubauen. Konkret plant der Senat, mit dem kommenden Doppelhaushalt ab 2018 das Projekt L-Support stärker zu fördern. Die Opferhilfe für gewaltbetroffene lesbische, bisexuelle und queere Frauen in Berlin wird bislang lediglich ehrenamtlich geleitet. Eine Telefonhotline für Beratung und Unterstützung bei Übergriffen ist lediglich einmal pro Woche für zwei Stunden besetzt. Das analoge Projekt für Männer Maneo ist täglich für zwei Stunden erreichbar.

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