Die Frau fürs Grobe

Janina Kugel ist bei Siemens für den Stellenabbau zuständig

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

Die neue Zentrale des Weltkonzerns an der Werner-von-Siemens-Straße 1 in der Münchner Innenstadt wird gerne als »offene Architektur« beschrieben, lichtdurchflutet, mit »Kommunikationszonen« und großen Fluren mit »Lounge-Charakter«. Es ist die gläserne Architektur des Neoliberalismus, die Transparenz vorgaukelt, wo doch die wirklichen Entscheidungen noch immer in exklusiven Zirkeln getroffen werden - zum Beispiel über Entlassungen. In der Siemens-Zentrale neben dem Wittelsbacher Platz geschieht dergleichen in der Vorstandsetage im 6. Stock. Eine Etage tiefer liegt das Bistro mit großer Dachterrasse, hier ist der Lieblingsplatz von Janina Kugel. Die 47-Jährige ist seit Februar 2015 Mitglied des Vorstands der Siemens AG und in dieser Funktion für die »Human Resources« zuständig, also als Arbeitsdirektorin für die mehr als 340 000 Beschäftigten. Und sie ist dafür zuständig, dass es künftig weniger sein sollen. Das weltweit agierende Unternehmen will derzeit Tausende Jobs in der Kraftwerksparte streichen.

Das ist auch der Grund, warum die Managerin in der Presse gerne als »Frau fürs Grobe« oder »Frau an der Front« betitelt wird. Zwischendurch auch mal etwas übermütig als »Königin der K-K-Monarchie«, gemeint ist das Vorstandsduo bestehend aus der Arbeitsdirektorin und Siemens-Chef Joe Kaeser.

Aufsehen erregt hat Janina Kugel, als sie in die traditionelle Männerdomäne der Vorstandsetage vorgestoßen ist. Da vermeldeten die männlichen Wirtschaftsredakteure in ihren Titelzeilen, dass »diese Frau« das Schicksal Tausender Siemensianer in der Hand halte. Und die zentrale Frage lautete danach, ob sie »als Frau« auch die gleiche Arbeit machen könne wie ihre männlichen Vorgänger, zum Beispiel Leute entlassen: »Wird sie den Härtetest bestehen?« Ja, warum denn nicht? Hat nicht eine Frau - Margaret Thatcher - ein ganzes Land dem neoliberalen Umbau unterzogen und Abertausende von Arbeitsplätzen etwa in den Kohleminen gestrichen?

Doch zurück in die Siemenszentrale. Janina Kugel hat nach ihrem Einstieg als Personalchefin zunächst die Arbeitskultur umgekrempelt. »Wir verfolgen eine sogenannte Clean-Desk-Politik. Das heißt, dass am Ende eines Arbeitstages der Tisch leer sein muss, so dass er gereinigt werden kann und am nächsten Tag sich vielleicht jemand anderes dahin setzen kann«, sagte sie in einem Interview. Dabei gehe es nicht um eine bessere Ausnutzung der teuren Bürofläche, sondern um ein anderes Verständnis von Arbeitszeit.

Das lebt sie auch vor und webt dabei beständig an dem Image der kompetenten Frau, die sowohl den Aufstieg geschafft hat wie auch den Spagat, das Berufsleben als Führungskraft mit der Familie zu verbinden. Ein Image, das auch den Konzern erhellt und die trendigen Jungs und Mädels aus dem Silicon Valley mit ihrer »Work-Life-Balance« in den Schatten stellt. So bemüht sich die Personalchefin, zum Abendessen bei ihren elfjährigen Zwillingen und dem Ehemann in München zu Hause zu sein. Auch bei Sport- und Sommerfesten will sie dabei sein. Wobei dieses Privatleben streng abgeschirmt wird. Ihr Ehemann gehe einem Vollzeitjob nach, ließ sie wissen. Auch ihre Herkunft stellt sie nicht ins Rampenlicht. Sie ist 1970 in Stuttgart geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern waren Akademiker, mehr gibt sie nicht preis.

Ihr beruflicher Werdegang beginnt mit einem Studium der Volkswirtschaftslehre in Mainz und in Verona mit einem Masterabschluss. Ab 1997 arbeitet sie als Unternehmensberaterin. 2001 wechselt sie von der Unternehmensberatung Accenture zu Siemens. 2009 übernimmt sie für den Konzern das Personalwesen Italien in Mailand. 2012 geht sie für ein Jahr zur Siemens-Tochter Osram. Danach kehrt sie zurück in die Siemens-Zentrale und steigt dort im Februar 2015 in den Vorstand auf, zuständig für das Personal. Als jüngstes Mitglied und als eine der wenigen Frauen in DAX-Vorständen richtet sich schnell die Aufmerksamkeit auf sie. Zu ihrer Vernetzung tragen auch diverse Nebentätigkeiten bei. So ist sie Mitglied im Praxisbeirat der Hertie School of Governance in Berlin, einer privaten Hochschule für den Managernachwuchs, Mitglied im Hochschulrat der Technischen Hochschule Ingolstadt und Mitglied im Leitungsgremium des Aufsichtsrats der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Die Presse bescheinigt ihr, charmant, schlau und »mit Biss« zu sein. »Der Job geht ihr mit so viel Leichtigkeit von der Hand, dass allenfalls zu erahnen ist, wie viel Kraft und Energie ihr dies alles abverlangt, wie schwer der Weg dorthin war, wo sie jetzt ist«, schreibt die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Sie selbst sagt über ihre Karriere: »Du musst dich reinhängen, kämpfen, auch wenn es weh tut.« Für Manager sei es wie für Spitzensportler, der Weg nach oben sei begleitet von »Schmerz, Zweifel, Enttäuschungen«. Oben angekommen winkt dann die Dividende: 2,1 Millionen Euro verdiente die Star-Managerin 2015.

Damit könnte ein arbeitsloser Techniker einige Jahre auskommen. Auf das öffentliche Unverständnis angesprochen, dass der Konzern bei einem Gewinn von 6,2 Milliarden Euro im Vorjahr weltweit Tausende Stellen streichen will, sagt Janina Kugler: »Für mich ist das kein Widerspruch. Wir müssen Entscheidungen treffen, die unternehmerisch zukunftsfähig sind.«

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