Zu kurz gekommen

Sachsen-Monitor: Umfrage bestätigt weit verbreitete rechte Einstellungen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Sachsen hat »ein Problem mit rechtsextremem Denken«. Zu dieser Einschätzung kommt der fünfköpfige Beirat zum »Sachsen-Monitor«, einer Erhebung zu persönlichen Lebensumständen und politischen Einstellungen im Freistaat. Für diese hat das Umfrageinstitut dimap im Sommer zum zweiten Mal nach 2016 gut 1000 Bürger befragte. Die Ergebnisse sind teils erschreckend. So stimmen 56 Prozent der Sachsen der Aussage zu, die Bundesrepublik sei »in gefährlichem Maß überfremdet«. 41 Prozent der Befragten sehnen sich nach »einer einzigen starken Partei«, welche die »Volksgemeinschaft insgesamt« verkörpere.

Auch bei anderen Fragen tritt eine hohe Zustimmung zu rechtem und rassistischem Gedankengut sowie autoritären Politikkonzepten zutage. Höhere Zustimmung als 2016 finden Forderungen nach einer »starken Hand« und härterer Bestrafung von Verbrechen. Der Beirat aus Wissenschaftlern, Kommunalpolitikern und Experten im Bereich der politischen Bildung hält das für »alarmierend« - aber auf den ersten Blick schwer zu erklären. Immerhin ist die übergroße Mehrheit der Befragten mit ihrer persönlichen Lebenssituation zufrieden und schaut optimistisch in die Zukunft. Befragt nach ihrer Wohn- und Arbeitssituation, der Sicherheit oder der ärztlichen Versorgung, zeigen sich mehr als zwei Drittel zufrieden. »Diese Zahlen allein«, sagt dimap-Geschäftsführer Reinhard Schlinkert, »erklären kaum die Wahlergebnisse in Sachsen«. Im Freistaat war die AfD bei der Bundestagswahl im September erstmals stärkste Kraft geworden.

Schlinkert weist indes auf bemerkenswerte Zahlen hin, die offenbaren, dass sich viele Sachsen benachteiligt und ungerecht behandelt fühlen. Im Vergleich dazu, wie »andere hier in Deutschland leben«, glauben 48 Prozent, weniger oder viel weniger als ihren »gerechten Anteil« zu erhalten. Bei bundesweiten Umfragen sagen das nur 28 Prozent der Befragten, im Westen sind es 25 Prozent, im ostdeutschen Mittel 40 Prozent. Beim kürzlich veröffentlichten Thüringen-Monitor lag der Wert noch geringfügig höher als in Sachsen.

Gruppen mit starker gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit fühlen sich noch in weit stärkerem Maß benachteiligt. Vor allem Menschen mit niedrigen Schulabschlüssen hätten das Gefühl, keine angemessene Anerkennung für ihre Leistungen zu erhalten; das Gefühl von Chancengleichheit sei in manchen sozialen Schichten deutlich geschwunden. Daraus entstehende Ressentiments richten sich dabei nicht nur gegen Ausländer. In der Gruppe mit hoher Menschenfeindlichkeit meinen 79 Prozent auch, dass sich Langzeitarbeitslose »auf Kosten anderer ein schönes Leben« machen. Der Beirat konstatiert ein verbreitetes Gefühl in Teilen der Bevölkerung, »für eigene Leistungen zu wenig Anerkennung zu bekommen«. Flüchtlinge dienten diesem Eindruck als »Projektionsfläche«.

Stark befördert wird das Gefühl der Benachteiligung durch tatsächliche und gefühlte Defizite im Zuge der deutschen Vereinigung. So sind 61 Prozent der Befragten der Ansicht, die Leistungen der Ostdeutschen würden zu wenig gewürdigt. 58 Prozent meinen, im Zuge der Wiedervereinigung sei »neues Unrecht« geschaffen worden; 44 Prozent meinen, Ostdeutsche seien in der Bundesrepublik nur »Bürger zweiter Klasse«. Die zuletzt auch in der Landespolitik breit diskutierte These, wonach Ungerechtigkeiten und Kränkungen der Nachwendezeit ein Grund für die besondere Lage in Sachsen seien, werde durch die Umfrage »deutlich unterstützt«, resümiert der Beirat. Zu den sächsischen Besonderheiten gehört indes auch, dass 58 Prozent der Befragten den Wunsch äußern, es solle lieber mehr Geld für die innere Einheit als für die Integration von Ausländern ausgegeben werden.

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