Davis muss sich Parlament stellen

  • Sascha Zastiral, London
  • Lesedauer: 2 Min.

Brexit-Minister David Davis droht großer Ärger: Der Vorsitzende des Unterhauses in London, Justin Bercow, hat Davis dazu aufgefordert, binnen weniger Tage vor dem Brexit-Ausschuss des Parlaments zu erscheinen. Sollte Davis dieser Aufforderung nicht nachkommen, könnte er der »Missachtung des Parlaments« beschuldigt werden - und im schlimmsten Fall sein Mandat verlieren. Mehr noch: Sollte es zu einer Abstimmung über Davis' Verhalten kommen, könnte dieses als Misstrauensvotum gegen die Regierung von Theresa May ausgelegt werden.

Im Zentrum des Streits stehen Dutzende Studien der Regierung, die sich mit den möglichen Folgen des EU-Austritts befassen. Die Abgeordneten des Unterhauses haben Anfang des Monats dafür gestimmt, dass die Regierung diese Studien an den Brexit-Ausschuss des Unterhauses übergeben muss.

Die Abgeordneten der regierenden Tories boykottierten die Abstimmung, was die Regierung zum Anlass nahm zu erklären, dass diese nicht rechtskräftig sei. Bercow, dessen Posten dem des Parlamentspräsidenten in Deutschland ähnelt, ist für genau solche Fragen zuständig. Er war anderer Ansicht und wies die Regierung an, der Aufforderung des Parlaments Folge zu leisen.

Die Regierung weigerte sich jedoch zunächst, die Studien sofort herauszugeben - was zum ersten Mal zu Ärger führte. Es gebe ein »Missverständnis« hinsichtlich der Natur der Studien, sagte Davis. Bei ihnen handele es sich nicht um eigenständige Dokumente. Viele von ihnen seien in umfangreicheren Regierungspapieren versteckt und müssten zunächst herausgearbeitet werden. Einige Abgeordnete protestierten. Sie vermuteten, dass Davis lediglich Mitarbeitern der Ministerien die Gelegenheit geben wollte, heikle Passagen zu entfernen.

Und genau das trat ein. Als Davis die Studien an den Ausschuss übergab, waren die Papiere, die bislang nicht öffentlich gemacht worden sind, so stark und offensichtlich redigiert, dass viele Abgeordnete einen Vertuschungsversuch vermuteten. Mitarbeiter der Ministerien haben Berichten zufolge zahlreiche Details entfernt, die bei den Brexit-Verhandlungen zum Problem werden könnten. Dabei haben die Abgeordneten des Unterhauses in ihrer Abstimmung deutlich gemacht, dass sie sich Einsicht in die gesamten Dokumente wünschen.

Die Regierung erwägt nun offenbar, in einer weiteren Abstimmung im Unterhaus dieses Vorgehen absegnen zu lassen. Ob sie damit Erfolg hätte, steht jedoch in den Sternen. Die Regierung verfügt im Unterhaus über keine eigene Mehrheit und ist auf die Stimmen einer nordirischen Regionalpartei angewiesen. Davis selbst hat sich mittlerweile dazu bereiterklärt, Mitte der kommenden Woche vor dem Brexit-Ausschuss zu erscheinen.

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