Keine Zensur für »das erste Mal«

Bundesweites Projekt bietet Sexualerziehung durch Gleichaltrige

  • Uwe Kraus, Freiburg
  • Lesedauer: 2 Min.
Lehrer und Eltern können ihren Schützlinge bestimmte Verhaltensweisen noch so oft nahelegen - wenn es Gleichaltrige tun, sind die Erfolgsaussichten deutlich höher. Darauf basiert ein bundesweites Präventionsprojekt zur Sexualerziehung, mit dem angehende Mediziner Farbe in eine Grauzone bringen wollen.
Die Freiburger Medizinstudentin Lale Fenske, Bundeskoordinatorin von »Mit Sicherheit Verliebt«, erläutert das Konzept des bundesweiten Sexualerziehungskonzeptes: »Wir Medizinstudenten sind eben nicht der Lehrer, der einem nachher eine Note gibt, und wir reden auch nicht mit den Eltern«. Stattdessen bieten die Nachwuchsmediziner den Jugendlichen Möglichkeiten zum Dialog auf Augenhöhe. Über Rollenspiele versuchen sie, Ängste und Unsicherheiten zum Thema Sexualität aus dem Weg zu räumen. Die Mitglieder der über 20 lokalen Vertretungen und des bundesweiten Koordinatoren-Teams sind Gesprächspartner mit eigenen Erfahrungen und mit Tipps zum Diskutieren. Die künftigen Mediziner haben festgestellt, dass Kinder und Jugendliche oft keine kompetenten Antworten auf die Fragen bekommen, die sie zur Funktionsweise eines Kondoms, zur Homosexualität, zur Verhütung oder zu Aids haben. Die Mitglieder des Berliner Lokalprojektes besuchen ehrenamtlich Schulen und Berufsschulen und sprechen mit den Heranwachsenden über HIV, Aids und andere sexuell übertragbare Krankheiten. »Wir wollen Ratschläge nicht nur der bunten Zeitschrift oder dem Biolehrer überlassen, die das Thema oft nur schamhaft streifen«, meinen Mitglieder der Tübinger Fachschaft Medizin. Sie klären in Schulklassen auf und bekommen dabei vom Tübinger Gesundheitsamt und von der Aids-Hilfe Unterstützung. Das ehrenamtliche Projekt bekomme meist von den lokalen Fachschaften Hilfe, auch lokale Shops und die Deutsche Ärzteversicherung machen bei der Vorbereitung von Vorträgen oder Workshops mit, berichtet Lale Fenske. »Natürlich werden die Studenten, die beim Projekt mitmischen, auf Workshops von erfahrenen Kommilitonen, Ärzten und Sexualpädagogen für die Wissensvermittlung und besonders für die Problemreflexion geschult.« Bereits 2001 fand dazu in Rostock der erste Ausbildungsworkshop für Medizin-Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet statt. Schließlich sei es schon ein Unterschied, ob man vor einer Gymnasialklasse stehe oder in einer Hauptschule in einem Problemstadtbezirk mit hohem Ausländeranteil über Schwangerschaftsverhütung und »das erste Mal« rede. Ohne die Ernsthaftigkeit zu ignorieren, ermögliche das Konzept der Studenten eine lockere Auseinandersetzung mit Sexualität.
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