nd-aktuell.de / 05.12.2017 / Brandenburg / Seite 12

Wie Erpresser Dagobert ...

Polizei erhielt zwei Dutzend Hinweise zu Potsdamer Paketbombe

Potsdam. Bei der Fahndung nach dem DHL-Erpresser hat die Polizei bereits zwei Dutzend Hinweise erhalten. Eine heiße Spur sei aber noch nicht darunter, teilte ein Polizeisprecher am Montag mit. Es riefen auch zahlreiche besorgte Bürger an, die sich einfach nur über Vorsichtsmaßregeln informieren wollten. Dafür solle das Hinweistelefon aber nicht genutzt werden, erklärte die Polizei.

Die Sonderkommission »Luise« wurde auf mehr als 50 Mitarbeiter aufgestockt. Zudem arbeitet die Polizei eng mit dem erpressten Paketdienst DHL zusammen. Die Polizei hatte Hinweise auf die Person erbeten, die am Donnerstagmorgen die dann am Freitag in die Potsdamer Königin-Luise-Apotheke gelieferte Paketbombe in eine Packstation an der Potsdamer Kantstraße eingelegt hatte. Da vor den Türen der Apotheke gegenwärtig ein Weihnachtsmarkt ist, glaubte man zunächst kurz an einen versuchten Terroranschlag. Der Weihnachtsmarkt wurde vorübergehend gesperrt, das verdächtige Paket wurde mit einem Wasserstrahl zerschossen. Der Erpresser hatte seine Forderung mit einem QR-Code verschlüsselt, der in den Überresten des Pakets gefunden wurde.

Die Polizei geht davon aus, dass die bereits Anfang November verschickte erste Paketbombe in Berlin aufgegeben wurde. Diese Sendung war an einen Online-Versandhändler in Frankfurt (Oder) geschickt worden. Dort geriet sie beim Öffnen in Brand. Der unbekannte Absender der Bomben fordert von der Firma DHL mehrere Millionen Euro und droht für den Fall, dass die Firma nicht zahlt, mit weiteren Sendungen, wie er in einem Brief in der Potsdamer Paketbombe schrieb.

Sieben Millionen Pakete werden im Weihnachtsgeschäft derzeit täglich von DHL-Boten zugestellt. »Es ist nahezu unmöglich, alle Pakete zu kontrollieren«, stellte DHL-Sprecher Dirk Klasen fest. Für die rund 60 000 Paketzusteller sei die Erpressung ständig im Hinterkopf. Konkrete Hinweise auf weitere Paketbomben gebe es derzeit aber nicht. »Das Geschäft läuft völlig normal«, sagte Klasen.

Allerdings führte die Warnung der Polizei vor weiteren Bombenpaketen zu Fehlalarmen. In der Bußgeldstelle der Polizei in Gransee sollte wegen eines verdächtigen Pakets das Gebäude geräumt werden. Dann stellte sich heraus, dass es nur ein Christstollen war. In Pritzwalk rückte die Polizei für ein Paket aus, in dem sich bloß eine vom Ehemann bestellte Tube Gel befand. Auch in der thüringischen Staatskanzlei in Erfurt wurde Bombenalarm ausgelöst. Doch statt einer zunächst vermuteten Granate enthielt das Paket nur Kataloge.

Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hatte am Sonntag die Bevölkerung gebeten, beim Empfang von verdächtigen Paketen sehr vorsichtig zu sein und im Zweifel die Polizei zu informieren. Die Paketbomben könnten zu schwersten Verletzungen oder sogar zum Tod führen. Verdächtig seien, so heißt es, unbekannte Absender, Rechtschreibfehler bei der Adresse oder auch Drähte, die aus einem Paket herausragen.

Innenminister Schröter fühlt sich durch den Fall an den Kaufhauserpresser »Dagobert« erinnert. Dagobert selbst, mit bürgerlichem Namen Arno Funke, ist genervt von dem Vergleich des Innenministers. »Ich bin kein Fachmann für Erpressungen, sondern ein resozialisierter Bürger«, sagte Arno Funke am Montag. »Mein polizeiliches Führungszeugnis ist inzwischen sauber.« Die Erpressungen seien Teil seiner Vergangenheit. »Das kann ich nicht mehr ändern, aber das liegt hinter mir.« Mit ausgeklügelten Tricks und gescheiterten Geldübergaben hatte Arno Funke in den 1990er-Jahren bundesweit für Aufsehen gesorgt. 1994 wurde der gelernte Schilder- und Lichtreklamehersteller gefasst und dann zu neun Jahren Haft und Schadenersatz verurteilt. Im Sommer 2000 kam Funke vorzeitig frei. Der heute 67-Jährige arbeitet als Karikaturist und schreibt Bücher.

Den Spitznamen »Dagobert« ist der geläuterte Straftäter nie losgeworden. Polizei und Medien nannten ihn so, weil er per Zeitungsannonce mit dem Satz »Onkel Dagobert grüßt seine Neffen« das Signal zur Geldübergabe geben wollte. Dafür deponierte er eine Streusandkiste über einem offenen Gully oder baute eine ferngesteuerte Lore für die Übergabe. Lange narrte er die Polizei und genoss dafür Sympathien in der Bevölkerung. Doch er hatte in mehreren Karstadt-Filialen Sprengsätze detonieren lassen. dpa/nd