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Pate des russischen Dopingsystems

Vizepremier Witali Mutko organisiert für die FIFA die Fußball-WM im nächsten Jahr

Im Zweifelsfall liefert Witali Mutko gern einen Lacher auf seine Kosten: »Ja, ja, ich lerne aus dem Buch, dass mir der Präsident geschenkt hat«, witzelt der Vizepremierminister im Juli im Medienraum des St. Petersburger Stadions, nachdem ihn ein russischer Fernsehjournalist auf der Pressekonferenz zu Eröffnung des Confederations Cups gefragt hat, wie es denn um seine Englischkenntnisse bestellt sei. Er habe doch versprochen, bis zur Fußball-WM akzentfrei sprechen zu können. »Für persönliche Gespräche reicht es«, erwidert der Organisationschef der Weltmeisterschaft 2018 auf Russisch, um schnell noch einen Gag anzufügen: »Thank you very much. Good question!« Lachen im Saal.

Nicht immer sind die Fragen, die Mutko gestellt werden, so leicht wegzumoderieren. Doch Mutko hat mit einer guten Portion Jovialität und Volksnähe schon allerlei handfeste Skandale aussitzen können: Bereits Ende der 90er Jahre, als er noch als Präsident des Fußballklubs Zenit in seiner Heimatstadt St. Petersburg fungierte, wurden ihm Spielabsprachen und Manipulationen vorgeworfen. Nachzuweisen war das nie, Mutko machte stattdessen Karriere. Erst als Begründer und Präsident der heimischen »Premjer Liga« (2001 bis 2003), dann ab 2005 als Präsident des Nationalen Fußballverbandes. 2008 berief ihn Wladimir Putin zum Minister für Sport, Tourismus und Jugendpolitik. 2010 folgte ein Korruptionsskandal bei Olympia, wo Mutko nach einem 20-tägigen Aufenthalt in Vancouver 4500 Dollar allein für Frühstück abrechnete und sein Hotelzimmer mit 1499 Dollar pro Nacht zu Buche schlug. Mutko blieb unbeirrt und fragte, wer sich denn eigentlich dafür interessiere, was der französische Sportminister für sein Zimmer bezahlt habe.

Nur 15 Medaillen holten die Russen bei jenen Winterspielen 2010 - der historische Tiefpunkt einer großen Sportnation. Doch seither sind russische Sportler wieder zu fleißigen Medaillensammlern bei Olympia und Weltmeisterschaften geworden - viele dieser Titel wohl vor allem dank des ausgeklügelten Dopingvertuschungssystems, über dessen Dimensionen die Welt seit dem ersten Outing der Whistleblowerin Julia Stepanowa 2014 in regelmäßigen Abständen immer Ungeheuerlicheres erfuhr - bis hin zum Ausschluss der Russen von den Olympischen Winterspielen am Dienstag.

Seit diesem Abend ist die Welt auch für den mächtigsten Mann im russischen Sport ein Stück kleiner geworden: Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat Witali Leontjewisch Mutko im Zuge des Dopingskandals um Olympia 2014 in Sotschi von künftigen Spielen ausgeschlossen worden - lebenslang.

Für den Fußballweltverband FIFA wie auch für Russlands Regierung bedeutet Mutkos Olympiabann reichlich Ungemach: Mutko ist schließlich das Gesicht der Fußball-WM 2018, in seine Ägide fällt der Zuschlag der WM im Jahr 2010, damals noch unter dem korrupten FIFA-Präsidenten Sepp Blatter. Mutko war Bewerbungschef, aus jener Zeit ist besonders seine Belehrung über Korruption aufschlussreich, die er an die Medien des gescheiterten Mitbewerbers England richtete: »Wenn Sie tief genug bohren, finden Sie Korruption in jedem Land.« Mutko ist noch immer Präsident des russischen Fußballverbandes RFS.

Die FIFA sieht sich zum jetzigen Zeitpunkt scheinbar nicht genötigt, auf die IOC-Sperre zu reagieren. In einer ersten Stellungnahme hatte sie sich am Dienstagabend zurückhaltend gezeigt. Man habe die Entscheidungen des IOC zur Kenntnis genommen, hieß es in einem Statement. Von der Ethikkommission des Weltverbands war nichts zu hören.

Multifunktionär Mutko gibt sich nach dem Entscheid gelassen, innenpolitisch scheint ihm kein Schaden zu drohen. Er ist ein langjähriger Begleiter von Wladimir Putin auf dessen Weg zur Macht. Kennengelernt haben sich die beiden 1992 in der Stadtregierung von St. Petersburg: Der einstige Komsomol- und KP-Funktionär Mutko war damals zu einem der Stellvertreter des Gouverneurs Anatoli Sobtschak aufgerückt, während Ex-KGB-Mann Putin als Vizegouverneur in der Stadtregierung für auswärtige Beziehungen zuständig war. 1994 halfen die beiden Männer, das erste Sportgroßereignis in Russland nach Auflösung der Sowjetunion zu organisieren: Die »Goodwill Games 1994«, einst Multisportfest, das zu Zeiten des Kalten Kriegs in Folge der Olympiaboykotte ersonnen worden war.

Ein Komplott gegen Russland will Mutko im Olympiabann des IOC erkennen: Er denke sich seinen Teil, sagte er gegenüber der Agentur »R-Sport«. Sein Olympiaausschluss sei jetzt unwichtig, allein um die »Rebjata« (Kinder) gehe es jetzt - Russlands Sportlerinnen und Sportler: »Ihre Sorgen beunruhigen mich viel mehr als meine Sperre«, behauptet Mutko. Nicht jeder im Lande glaubt ihm: Laut Umfrageinstitut WZIOM belegt Mutko in der Glaubwürdigkeits-Rangliste russischer Minister aktuell nur noch Platz 21 von 31.

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