nd-aktuell.de / 09.12.2017 / Politik / Seite 4

Flüchtlingsbürgen müssen auf Fonds hoffen

Gericht enthebt Betroffene nicht ihrer grundsätzlichen Zahlungspflicht / Innenministerkonferenz lässt Möglichkeit finanzieller Hilfen prüfen

Uwe Kalbe

Ein »Datenhaus«, angesiedelt beim Bund, soll den Zugriff der Sicherheitsbehörden auf Informationen erleichtern und zentralisieren, Schnittstellen und Insellösungen, bedingt durch die föderale Struktur Deutschlands, werden geschleift. Auch bei der Bekämpfung der Ausschreitungen von Fußballfans rücken die Behörden zusammen. Die Innenministerkonferenz beschloss in Leipzig, Fußballverbände enger zu integrieren; gegen diese verhängte Strafen sollen dazu dienen, finanzielle Mittel in Sicherheitsstrukturen zu leiten.

Der Schutz vor Gewalt, nämlich terroristischer, war auch Teil der Begründung des Beschlusses, die Sicherheitslage in Syrien neu zu bewerten. Sachsen und Bayern drängen darauf, Gefährder und Schwerkriminelle nach Syrien abschieben zu können und hatten das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Immerhin einigten sich die Innenressortchefs auf eine Verlängerung des Abschiebestopps für syrische Flüchtlinge bis zum 31. Dezember 2018. Für den Lagebericht zu Syrien ist das Außenministerium zuständig. Sobald der neue Bericht vorliegt, soll die Ministerrunde neu entscheiden. Dies könnte schon im Frühjahr nächsten Jahres der Fall sein. Kritiker verweisen darauf, dass nationale und internationale Rechtsstandards Abschiebungen in Kriegsgebiete nicht erlauben und die Neubewertung offenbar dem Ziel dient, dessen ungeachtet einen Weg für Rückführungen zu öffnen. Der letzte Lagebericht stammt aus dem Jahr 2012.

Hingegen haben die Innenminister eine Neubewertung der Lage in Afghanistan nicht für nötig gehalten, obwohl sich die Sicherheitslage dort in den letzten Monaten immer weiter verschlechtert hat. Dies offiziell zu konstatieren, würde allerdings gegenwärtige Abschiebungen in ein noch zweifelhafteres Licht rücken.

Zu einem weiteren strittigen Punkt erteilten die Minister zwei Ländern das Mandat, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Lösung zu erarbeiten - Niedersachsen und Hessen. Dabei geht es um Bürgschaften, die ehrenamtliche Flüchtlingshelfer für ihre Schützlinge übernommen haben, um deren Einreise nach Deutschland zu ermöglichen. Ämter fordern nun Rückzahlungen für geleistete Zahlungen, die Helfer zuweilen in eine schwierige Lage bringen. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) zeigte sich zuversichtlich: »Natürlich wollen wir eine Lösung finden, die erträglich ist für diejenigen, die die Bürgschaften übernommen haben und jetzt vor teils existenzgefährdenden Forderungen durch die Arbeitsagenturen stehen.«

Gedacht ist an die Schaffung eines Fonds, aus dem solche Forderungen bezahlt werden könnten. Betroffene versuchen sich parallel auf dem juristischen Weg gegen die verlangten Rückzahlungen zu wehren. Am Freitag waren zwei solcher Fälle Gegenstand von Entscheidungen des Oberlandesgerichts Nordrhein-Westfalen. In dem ersten Fall soll ein türkischer Staatsangehöriger rund 1700 Euro an das Jobcenter Leverkusen zahlen. Das Jobcenter hat in dieser Höhe Sozialleistungen für zwei Syrer ausgegeben, für die der Mann gebürgt hatte. Im zweiten Fall forderte das Jobcenter des Kreises Paderborn von einem Mann ursprünglich 5185 Euro zurück. Die Vorinstanzen hatten unterschiedlich geurteilt, der erste Kläger hatte kein Recht erhalten, der zweite bekam Recht.

Strittig ist die Frage, ob die Bürgschaft weitergilt, auch wenn das Asylverfahren bereits positiv abgeschlossen wurde. Das Bundesinnenministerium vertritt die Auffassung: Ja, sie gilt weiter. Und auch das Verwaltungsgericht in Köln hatte entschieden, dass die Bürgschaftspflichten für die Gesamtdauer des bürgerkriegsbedingten Aufenthalts zu tragen seien. Die Verpflichtung ende weder durch die Flüchtlingsanerkennung noch durch die Erteilung der daraufhin erteilten Aufenthaltserlaubnis.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster hielt am Freitag an dieser Rechtsauffassung fest, schränkte die Haftung jedoch ein. Die Bürgen müssen zwar weiterhin an Flüchtlinge geleistete Sozialleistungen an die Jobcenter zurückzahlen. Davon ausgenommen sind aber die Kosten für Kranken- und Pflegeversicherung. Das bedeutet für die Betroffenen einen Teilerfolg, auf gänzliche Entlastung können sie aber wohl nur hoffen, wenn Bund und Länder sich auf einen Erstattungsfonds einigen.