Reduktion auf Konkurrenz

Lena Tietgen hält nicht viel von standardisierten Leistungstests

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.
Haben Sie sich heute schon verglichen? Ihr Äußeres, Ihre Gedanken, Reaktionen, Ihren Partner, Ihr Auto, Ihre Wohnung - nein? Aber sicher doch haben Sie ihre Arbeitsleistungen oder ihren Alltag und ganz bestimmt ihre Kinder miteinander verglichen? Kommen Ihre Kinder gut mit in der Schule, sind sie vielleicht sogar besser als die anderen? Und wenn nicht, fragen Sie sich nicht auch, ob Sie da noch ein bisschen nachhelfen könnten?

Nun, ich könnte Sie weiter fragen, bis der Abend gekommen ist und Sie in die müden Augen Ihrer Familie gucken, bevor Sie selbst noch einen flüchtigen Blick in den Spiegel werfen. Die Welt der Statistik ist brutal. Uns in einen Dauer-Flow versetzend gönnt sie uns keine Verschnaufpause. Vergleichen und etwas leisten sind Paradigmen unserer Gesellschaft. Und so lernen die Kinder durch schulische Vergleichstests schon früh, sich zu optimieren. Losgelöst von realen Lebenssituationen wie im Labor wird Selbstoptimierung zum Bildungszweck.

Die Tests sagen wenig darüber aus, wie die Kinder in konkreten Situationen Mathe anwenden, wie gut sie unter Einfluss von Werbung im Supermarkt das Preis-Leistungs-Verhältnis einer Ware erfassen können. Sie sagen erst recht nichts darüber aus, wie konfliktfähig oder wie liebesfähig sie außerhalb des gesetzten Rahmens sind.

Sie merken, ich halte nicht viel von Vergleichstests. Ein Grund ist, dass sie die Komplexität des Sozialen bis zur Unkenntlichkeit auf Konkurrenz reduzieren. Ein anderer, dass Kinder durch solche Vergleiche fremdbestimmt werden. Der Referenzrahmen, in dem sich die Vergleiche bewegen, bleibt nämlich für sie intransparent, geschweige denn, dass Eltern und Kinder darauf Einfluss nehmen könnten. Und so sind diese Tests höchst undemokratische Instrumente, die in die Entwicklung der Kinder unnötig eingreifen.

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