nd-aktuell.de / 15.12.2017 / Kommentare

Beate Uhse hat die Zeichen der Zeit verpasst

Grit Gernhardt über einen Erotik-Shop, der aus der Schmuddelecke in die Insolvenz geht

Grit Gernhardt

Nach der Wende waren sie plötzlich überall – kleine Lädchen mit zugeklebten Fenstern und roten Türvorhängen aus Samt, in ruhigen Seitenstraßen und Kellergeschossen. Die Käufer schauten sich schamhaft um, bevor sie den Shop betraten, oft war mehr Erröten als Erotik. In größeren Städten fanden sich Ketten wie Orion oder Beate Uhse sogar in Einkaufszentren und Bahnhofspassagen – mit dem Flair eines etwas abgedunkelten Supermarktes inklusive seichter Musik. Die meisten Bestellungen liefen seinerzeit über die auf schlechtem Papier mit schlechten Farben gedruckten und in neutralen Umschlägen versendeten Kataloge, bei deren Durchblättern nicht nur Teenager staunten, wo Unterwäsche überall Löcher haben kann.

Die Zeiten anrüchiger Sexshops und billiger Kataloge sind allerdings lange vorbei, das musste auch der langjährige Marktführer Beate Uhse erkennen. Die Zukunft der Sexspielzeuge liegt im Internet, so wie die Zukunft des Einzelhandels allgemein. Obwohl wechselnde Konzernführungen bei Beate Uhse immer wieder Modernisierungsversuche machten – Läden wurden geschlossen, die gedruckten Kataloge eingestellt, das Entertainmentgeschäft verkauft – ließ sich der Niedergang nicht aufhalten. Im Zeitalter von YouPorn und Virtual-Reality-Brillen lohnte sich bald auch der Verkauf von Erotik-DVDs nicht mehr, die Videokabinen in den Läden blieben leer.

Trotz Ausweitung des Onlinehandels, dem Gang an die Börse, einem Relaunch der Website und dem Umstieg vom traditionsreichen Namen der 2001 gestorbenen Gründerin auf die vermeintlich weniger altbackene Abkürzung bu – der Umsatz sank weiter, am Freitag musste die Beate-Uhse-AG Insolvenz anmelden. Nun soll der Konzern in Eigenregie saniert werden, doch ob die verpassten Chancen noch aufzuholen sind, ist fraglich.

Beim Onlineversandriesen Amazon bringt die Suche nach Vibratoren aktuell fast 45.000 Ergebnisse, Kondome gibt‘s im Supermarkt und in Drogerien. Die Wünsche der Kunden haben sich gewandelt, heute wird nach veganem oder latexfreiem Sexspielzeug gesucht, möglichst auch noch bio und vor allem hochwertig verarbeitet. Besonders stark hat sich jedoch die Zielgruppe verändert, die Industrie stellt immer mehr Produkte für Frauen her, das schmuddelige Altherrenimage ist passé. Den Umschwung hat Beate Uhse nicht früh genug erkannt, anderen traditionsreichen Firmen könnte das gleiche Schicksal drohen. Marktkonkurrent Orion nutzte den Insolvenzantrag des Mitbewerbers am Freitag denn auch gleich, um klarzustellen, dass das eigene Geschäft aber weiter brummt – besonders zur Weihnachtszeit. Ob Beate Uhse vom Trend zum erotischen Weihnachtsgeschenk nächstes Jahr auch wieder profitieren kann, steht derzeit noch in den Sternen.