Richtungswechsel in der CDU

Ob CDU-Stimmen für einen AfD-Antrag als Vorbereitung einer Koalition zu deuten sind

Es ist in der Parlamentsarbeit eine bewährte Methode: Eine Oppositionspartei reicht einen Antrag ein, der sich mit den Vorstellungen einer Regierungspartei deckt, die ihre Ideen im Moment aber aus Koalitionsdisziplin nicht durchsetzen kann. Die Oppositionspartei kann dabei nur gewinnen: Entweder bekennt die Regierungspartei Farbe und stimmt zu, oder sie lehnt ab und blamiert sich damit vor ihren Wählern.

Den Trick verwendete die LINKE vor zehn Jahren im Landtag, als die SPD auf der Straße Unterschriften für einen Mindestlohn sammelte. Die seinerzeit noch oppositionelle LINKE nahm den Text von den Unterschriftenlisten und formte daraus einen Antrag. Weil die CDU damals keinen Mindestlohn wollte, sah sich die SPD aus Rücksicht auf ihren Koalitionspartner gezwungen, den Antrag im Parlament abzulehnen. Die LINKE hat dies der SPD dann im Wahlkampf 2009 vorgehalten.

Die AfD kupferte nun aus dem Zwischenbericht der Enquetekommission zur Zukunft der ländlichen Regionen Passagen ab, die theoretisch alle anderen Fraktionen unterschreiben könnten. Sie verlangte eine namentliche Abstimmung, bei der im Protokoll festgehalten wird, wer sich wie verhalten hat - und die CDU stimmte dem AfD-Antrag einmütig zu.

Das sei ein Tabubruch, reagierten SPD und LINKE enttäuscht und entsetzt. Wenn die CDU in der Auseinandersetzung mit der rot-roten Koalition »auf Anträge der AfD aufspringt, hat sie als Oppositionsführerin das rechte Maß verloren«, meint Linksfraktionsgeschäftsführer Thomas Domres. Die AfD habe auch schon mehrfach Anträge und Argumente der Linkspartei übernommen, »um uns vorzuführen und sich einen sozialen Anstrich zu verpassen«. Doch die AfD sei keine soziale Partei, es gehe ihr nicht um Gerechtigkeit. »Sie instrumentalisiert Probleme und will sie nicht lösen, sondern politischen Profit aus ihnen ziehen. Das machen wir nicht mit«, betont Domres. »Wir machen eigene Vorschläge und erarbeiten eigene Lösungsansätze. Die AfD brauchen wir dazu nicht.«

Anders als in der Zeit der rot-schwarzen Koalition werden Vorschläge der Opposition nicht prinzipiell abgelehnt. Rot-Rot bemüht sich, für bestimmte Projekte auch mal die Grünen, die CDU oder die Freien Wähler mit ins Boot zu holen, was zuweilen gelingt. Mit der AfD gibt es solche Kooperationen selbstverständlich nicht. In der Ablehnung der AfD bestand bisher Einigkeit. Teilweise gab es sogar eine funktionierende Verständigung, dass Vorstöße der AfD kein großes Podium bekommen, sondern von einem einzigen Abgeordneten kurz abgebügelt werden. Dieser eine Abgeordnete sprach dann in diesem Moment für die anderen Parteien mit.

Dass die CDU mit den Thesen der AfD nicht übereinstimmt, zeigte sehr eindrucksvoll und öffentlichkeitswirksam am 8. Juni 2016 der CDU-Abgeordnete Sven Petke, der sich ein Trikot des deutschen Fußballnationalspielers Jérôme Boateng überstreifte und so im Landtag demonstrativ an AfD-Fraktionschef Alexander Gauland vorbeilief. Gauland, inzwischen in den Bundestag gewechselt, hatte zuvor provozierend gemutmaßt, dass die Bevölkerung einen wie Boateng zwar als Fußballer bewundere, aber nicht als Nachbarn haben möchte. Boatengs Vater stammt aus Ghana.

Bislang konnte maximal in Einzelfällen unterstellt werden, dass die brandenburgische CDU sich in die Nähe der AfD begebe, etwa wenn die Abgeordnete Saskia Ludwig bei einer AfD-Veranstaltung mitdiskutierte, wobei hinterher betont wurde, sie habe inhaltlich Distanz gewahrt. Nun aber spekuliert SPD-Fraktionsgeschäftsführer Björn Lüttmann, ob die CDU nicht zumindest gedanklich eine schwarz-blaue Koalition nach der Landtagswahl 2019 vorbereite. Zu einem Dementi, auf das die CDU festgenagelt werden könnte, lässt sich CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jan Redmann bedenklicherweise aber nicht verleiten. Redmann attestiert der SPD kühl eine »künstliche Empörung« und sagt: »Für parteipolitisches Kasperletheater, wie es sich die Sozialdemokraten scheinbar wünschen, ist die CDU nicht zu haben.« Das Abstimmungsverhalten der CDU richte sich stets nach dem Inhalt und nicht nach dem Absender.

Ist das ein Kurs, der gehalten wird, oder ein Kurswechsel? Die CDU betont, ihre Zustimmung am Freitag sei keine Premiere gewesen. Bereits am 30. April 2015 habe die CDU einem AfD-Antrag zugestimmt. Es habe sich damals um eine Unterstützung der hessischen Bundesratsinitiative zum Schutzparagrafen 112 gedreht. Gefordert wurden drakonische Strafen für Angriffe auf Polizisten. Die brandenburgische AfD habe ihren Antrag seinerzeit weitgehend von der hessischen CDU abgeschrieben, heißt es.

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