Bartsch: Union und SPD sollen »Kasperletheater beenden«

Linksfraktionschef: Merkel für Rekorddauer bei Regierungsbildung verantwortlich / SPD-Vize Stegner: »Wir lassen uns nichts diktieren«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Angesichts der Rekorddauer für die Bildung einer neuen Regierung rechnet Linksfraktionschef Dietmar Bartsch mit zunehmender Politikverdrossenheit in Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trage »Verantwortung für die völlig inakzeptable Situation, dass drei Monate nach der Wahl eine Regierungsbildung nicht in Sichtweite ist«, sagte Bartsch der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. »Die Politikerverdrossenheit wird, je länger es dauert, zunehmen.«

Bartsch forderte Union und SPD auf, »das als Staatsschauspiel inszenierte aktuelle Kasperletheater zu beenden und klarzumachen, wann, in welcher Konstellation und auf welcher inhaltlichen Grundlage sie eine Regierung bilden wollen«. Die LINKE werde die soziale Opposition im Bundestag sein.

Mit Ablauf des Dienstages wird es in der Bundesrepublik noch nie so lange gedauert haben, bis nach der Wahl ein neues Kabinett ins Amt kam. 2013 hatte die bis dahin längste Phase der Regierungsbildung 86 Tage in Anspruch genommen. Die Bundestagswahl fand damals am 22. September statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde am 17. Dezember wiedergewählt.

Am Dienstag sind seit der diesjährigen Wahl vom 24. September wiederum 86 Tage vergangen. Nach dem Jamaika-Aus will die CDU/CSU am Mittwoch zwar mit der SPD erneut über eine mögliche Regierungsbildung sprechen. Die Regierungsbildung dürfte sich, wenn es denn dazu kommt, aber weit ins kommende Jahr hinziehen.

SPD-Vize Stegner: »Wir lassen uns nichts diktieren«

Mit Blick auf die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD kündigte SPD-Vize Ralf Stegner harte Verhandlungen an. »CDU, CSU, FDP und Grüne haben ihre Verhandlungen an die Wand gefahren - jetzt will die Union was von uns, nicht wir von denen, ohne die SPD läuft gar nichts in Deutschland«, sagte Stegner der Deutschen Presse-Agentur. Die SPD werde ein harter Gesprächspartner sein, sagte Stegner. Was gar nicht gehe, seien Neuwahlen, ohne vernünftig zu verhandeln. Dem stehe auch der Bundespräsident entgegen. Ein Einstieg in eine GroKo ohne große Veränderungen, komme ebenfalls nicht in Frage.

Manche Äußerung lasse ihn daran zweifeln, dass die Union den Ernst der Lage begriffen hat. »Wir lassen uns nichts diktieren, keine Geschwindigkeit aufdrücken und uns zu nichts nötigen«, sagte Stegner. Der SPD-Vorstand habe erstmal die Weichen für Sondierungen gestellt. Wie es danach weitergehe, entscheide ein Sonderparteitag im Januar. Druck aus der Union werde die SPD nicht nachgeben.

Am Freitag hatte sich der Vorstand einstimmig, bei einer Enthaltung, für ergebnisoffene Sondierungen mit CDU/CSU von Kanzlerin Angela Merkel ausgesprochen. »Es gibt keinen Grund, etwas zu überstürzen«, so Stegner weiter. Es gebe eine stabile geschäftsführende Bundesregierung. Die SPD werde die Gespräche nicht hinauszögern, um etwa Angela Merkel weiter zu schwächen. »Dazu ist sie uns nicht wichtig genug.« Solche Betrachtungen halte der SPD-Vize für nicht seriös.

Die Fixierung von CDU/CSU auf eine weitere große Koalition sieht Stegner ausgesprochen skeptisch. »Weder das Wählervotum spricht dafür, noch die Aussicht, dass die Ränder gestärkt würden und die AfD im Bundestag die Oppositionsführerschaft hätte«, sagte er. Darauf brauche es kluge Antworten. Ausschließen wolle die SPD aber nichts. »Wir wollen ernsthaft über alle Modelle von Minderheitsregierungen, Kooperationen oder Koalitionen reden«, sagte er. Die SPD-Basis habe gegenüber einem Weiter so in einer GroKo große Skepsis. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal