Geldstreit in Madrid

»Ausgabenlimit« der Zentralregierung provoziert Krise in linker Stadtregierung

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Krise in der linken Bürgerbewegung »Ahora Madrid« (Jetzt Madrid) ist mit aller Wucht in der Öffentlichkeit sichtbar, seit die Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena ihren Verantwortlichen für Wirtschaft und Finanzen abgesetzt hat. Auslöser war das »Ausgabenlimit«, das die rechte spanische Regierung den Gemeinden im ganzen Land diktiert.

Der geschasste Carlos Sánchez Mato von der Vereinten Linken (IU) sollte 302 Millionen Euro aus dem Etat streichen, wollte sich dem Diktat aber nicht beugen und angesichts der guten Haushaltslage mehr Geld als erlaubt investieren. Laut Limit darf eine Stadtregierung aber nur 1,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für ihren Haushalt ansetzen, um Nachhaltigkeit zu garantieren. Aber gerade unter Mato wurde Madrid, das sich 24 Jahre lang unter der Herrschaft der ultrakonservativen Volkspartei (PP) extrem verschuldete, auf den Nachhaltigkeitsweg geführt.

Doch eben jene, die dazu unfähig waren, schreiben jetzt der Stadtregierung vor, wie sie wirtschaften soll. Mato konnte schon im ersten Jahr nach dem Wahlsieg 2015 die Schulden um fast 1,1 Milliarden Euro - um fast 20 Prozent abbauen. Statt eines Defizits wies die Regierung Carmena am Jahresende 2016 einen Überschuss von 511 Millionen Euro aus. Inzwischen wurden die Schulden um mehr als zwei Milliarden gesenkt, also um etwa 40 Prozent.

Madrid wird 2017 mit einem Überschuss von etwa einer Milliarde abschließen. Dieser Überschuss darf wegen der Ausgabenregel aber nicht einmal zum Teil investiert werden. Die Frage, ob man sich den Vorgaben des spanischen Finanzministers Cristóbal Montoro beugt oder nicht, brachte Verwerfungen in der Regierungskoalition zum Vorschein. Als am Montag im Stadtrat der Finanzierungsplan (PEF) beschlossen werden sollte, blieben drei IU-Mitglieder der Abstimmung fern.

Auch drei Mitglieder von »Ganemos« (Wir werden siegen) verließen den Saal vor dem Votum. Drei weitere linke Stadträte stimmten unter Fraktionszwang zwar für den Finanzplan, drohten aber mit Rücktritt. In einer Erklärung machen Celia Mayer, Javier Barbero und Guillermo Zapata deutlich, dass es um mehr als nur das Limit geht. Sie bezeichneten die Absetzung von Mato als »Fehler« und fordern Bürgermeisterin Carmena auf, »die reale Situation der Regierung zu überdenken und sofort einen tiefgehenden Wandel in der Politik von Ahora Madrid einzuleiten«. Entscheidungen der letzten Zeit brächten die Koalition in Gefahr.

Da der Regierung eine eigene Mehrheit fehlte, wurde der Finanzplan mit den Stimmen von Montoros rechter PP angenommen. Das hat den Konflikt verschärft. Die Ultrakonservativen reiben sich die Hände, einen Riss in der Linksregierung provoziert zu haben. Für die PP war Mato ein rotes Tuch, denn der Kommunist hatte gezeigt, dass es die von zahllosen Korruptionsaffären erschütterte PP war, die mit beiden Händen Geld zum Fenster hinausgeworfen und Madrid in die Schuldenfalle getrieben hat. Schulden sind für ihn ein »Werkzeug zur Beherrschung«, weshalb er sie zügig aber nicht übereilt abbauen wollte.

Nach der absurden Regel dürfen alle Städte anteilig das gleiche Geld ausgeben, egal ob sie im Vorjahr ein Defizit oder sogar einen hohen Überschuss erwirtschaftet haben. Die Zentralregierung versucht bis in linke Stadtregierungen ihre Politik durchzudrücken. Es gibt aber auch Ausnahmen, das Limit wird von der PP für eigene politische Ziele missbraucht. Die andalusische Stadt Jaen, vom PP-Bürgermeister Javier Márquez regiert, durfte 2017 das Ausgabenlimit überschreiten. Anders als Madrid wurde Jaen also dafür belohnt, im Vorjahr statt mit einem Überschuss mit einem Defizit abgeschlossen zu haben.

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