nd-aktuell.de / 28.12.2017 / Politik / Seite 5

Härtefall Familientrennung

Mit seinem Kompromissvorschlag ändert Armin Laschet nichts am grundsätzlichen Problem der Kriegsflüchtlinge

Uwe Kalbe

Seit Armin Laschet Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist, hat er seine Twitternutzung stark reduziert. »Früher wollte ich alles, was ich falsch fand, richtigstellen. Heute denke ich oft: Man muss auch einmal schweigen, um etwas zu lösen«, zitiert die »Zeit«-Beilage »Christ & Welt« den CDU-Vize. Mit einem Vorschlag im Vorfeld der Sondierungen zu einer Großen Koalition mit der SPD im Bund konnte Laschet sich nun offenbar nicht zurückhalten. Und es ist offen, ob Schweigen auch in diesem Fall besser gewesen wäre. Es geht um die umstrittene Frage des Nachzugs von Familien subsidiär geschützter Kriegsflüchtlinge in Deutschland. Die SPD fordert, die bis März 2018 ausgesetzte Familienzusammenführung zu beenden. Laschet regte einen Kompromiss an und forderte die CSU auf, der SPD entgegenzukommen. Es müsse um einen »behutsamen Ausgleich« gehen zwischen der Begrenzung von Zuwanderung und humanitär gebotenen Einzelfällen. Neben letzteren Härtefällen müsse der Familiennachzug zudem für Flüchtlinge möglich sein, die Wohnung und Arbeit hätten, meint Laschet.

Laschet bezog sich auf ein Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das einem 16-jährigen Flüchtling das Nachholen seiner Eltern ermöglicht hatte. Ein besonderer Härtefall war dabei anerkannt worden. Während der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge den Vorstoß Laschets begrüßte, machte die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl darauf aufmerksam, dass ein solcher Kompromiss nichts an der prekären Lage der Betroffenen ändern würde.

Tatsächlich ist die Gesetzeslage so, dass auch jetzt Härtefälle ausdrücklich Ausnahmen von der Regel des verbotenen Nachzugs ermöglichen. Und doch gab es seit Beginn der Aussetzung im vergangenen Jahr ganze 66 Fälle, in denen ein Nachzug aus Gründen besonderer Umstände tatsächlich erlaubt wurde. Lediglich 230 weitere Fälle befänden sich in Bearbeitung, macht Pro Asyl deutlich.

Ein »behutsamer Ausgleich« zwischen den Standpunkten der Sondierer, käme er auf dieser Grundlage zustande, würde für die Betroffenen mithin kaum etwas ändern. Das laufe auf eine weitere Trennung der Familien hinaus, erklärte Günter Burkhard, Geschäftsführer von Pro Asyl. Und Laschets Vorschlag, Flüchtlingen den Familiennachzug zu gestatten, wenn sie Wohnung und Arbeit vorweisen können, betrachtet Burkhardt als eine letztlich unerfüllbare Anforderung. Dafür sorgt der Gesetzgeber mit Zwangsunterbringungen in der Erstaufnahme und Wohnortzuweisungen.

Die langjährige Trennung von Flüchtlingsfamilien nennt Pro Asyl überdies verfassungswidrig und erinnert an das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts für den Ehegattennachzug zu Gastarbeitern. Das Gericht hatte 1987 die damals geforderte dreijährige Ehebestandszeit als Voraussetzung für den Nachzug mit der Begründung gerügt, dies übersteige »das von den Betroffenen hinzunehmende Maß«. Hinzu kommt jetzt die unsichere Situation der Flüchtlinge. Bischof Dröge macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Der Familiennachzug könne nicht an einer gesellschaftlichen Überlastung scheitern. Die ursprünglich angenommene Zahl von Fällen sei mittlerweile auf lediglich rund 60 000 Menschen korrigiert worden. Mit Agenturen