Keine extra Pflegeheime für Obdachlose

Sozialsenatorin Elke Breitenbach will kein Drei-Klassen-System

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Das wachsende Problem mit Obdachlosen wird Berlin nach Einschätzung von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) nicht so schnell in den Griff bekommen. Dieses Problem könne weder von einer Person noch innerhalb eines kurzen Zeitraumes gelöst werden, sagte Breitenbach. »Das ist ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem, das es nicht nur in Berlin gibt und dem sich entsprechend auch die Bundesregierung stellen müsste«, erklärte Breitenbach. »Über obdachlose Menschen wird gern weggesehen, auch auf Bundesebene.«

Die Problemlage habe sich zudem stark verändert, betonte die Sozialsenatorin. »Vor ein paar Jahren war der Obdachlose noch der deutsche Mann zwischen 35 und 55 Jahren, jetzt sehen wir viel mehr Frauen, mehr Familien, auch mehr ältere und mehr behinderte Menschen, und wir haben Zulauf von EU-Bürgern, die häufig hier stranden. Wir haben ein umfassendes Hilfesystem, aber wir stellen auch fest, dass die Hilfen nicht immer dort ankommen, wo sie gebraucht werden.«

Bislang gebe es keine erkennbare Bereitschaft der Botschaften der Herkunftsländer von Obdachlosen aus Ost- und Südosteuropa, Verantwortung für ihre in Berlin auf der Straße lebenden Landsleute zu übernehmen und sich an einer Lösung zu beteiligen, kritisierte die Politikerin. Sie kündigte an: »Wir werden die Botschaften jetzt aber zu einer gesamtstädtischen Tagung im Januar einladen, weil wir natürlich hoffen, dass es zu einer Zusammenarbeit kommt.«

Dabei müsse klar sein, dass eine Hilfe nach den Berliner Spielregeln laufe, betonte Breitenbach. Die Spielregeln lauten: »Wir helfen den Menschen.« Dies sage sie, weil die Obdachlosenhilfe in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt werde.

Laut Sozialsenatorin wollen der Senat, Bezirke, Akteure der Wohnungslosenhilfe und der Wohlfahrtsverbände auf der Konferenz am 10. Januar eine gesamtstädtische Strategie beraten. Bislang haben in Berlin die Bezirke die Verantwortung für die Unterbringung obdachloser Menschen und für die Kältehilfe. Die Bezirke stoßen aber zum Teil an die Grenzen ihrer Kapazitäten, auch sei das Engagement unterschiedlich.

»Deshalb brauchen wir eine gesamtstädtische Steuerung«, sagte Breitenbach. »Nicht jeder Bezirk soll für sich schauen, wo die Leute untergebracht werden, sondern wir wollen, dass das zentral gesteuert wird, wie bereits bei den Flüchtlingen.« Der rot-rot-grüne Senat habe die Mittel für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit und für die Schuldnerberatung im neuen Doppelhaushalt auf rund zwölf Millionen Euro verdoppelt. »Damit nehmen wir also deutlich mehr Geld in die Hand«, betonte Breitenbach.

Ihr Weg sei nicht, eigene Strukturen für Obdachlose weiter auszubauen, erläuterte die Senatorin. Obdachlose Menschen müssten vielmehr in die Regelsysteme der Unterstützung überführt werden. »Da gehören sie hin, denn sie sind Menschen wie sie und ich«, betonte Breitenbach. »Mein Weg sind nicht spezielle Krankenhäuser oder Pflegeheime für Obdachlose. Wir haben jetzt schon ein Zwei-Klassen-System, wir brauchen nicht noch ein Drei-Klassen-System.« Die obdachlosen EU-Bürger seien eine besondere Herausforderung, weil sie in der Regel keinen Anspruch auf Leistungen hätten. epd/nd

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