Es gibt Alternativen zur AfD

Es ist schon lange nicht mehr machbar, jede Entgleisung aus den Reihen der AfD zu melden oder zu kommentieren. Man soll es auch nicht

Mal ehrlich: Eine komplette Zeitungsseite der Frage zu widmen, ob mehr oder weniger über die AfD berichtet werden sollte, das ist doch schon viel zu viel, oder? Könnte der wertvolle Platz nicht beispielsweise besser dafür genutzt werden, um politische Alternativen zur Alternative für Deutschland vorzustellen?

Vielleicht stünde hier gut eine Reportage über die gelungene Integration einer Flüchtlingsfamilie. Solche Beispiele gibt es ja. Es könnte genauso gut auch ein Interview über die Schwierigkeiten bei der Integration sein und darüber, was sich ändern sollte. Schließlich gibt es durchaus einige Probleme. Aber es gibt auch andere Lösungen dafür als die von der AfD propagierten.

Über die Rechten reden
Ist Medienpräsenz gleich Wahlerfolg? So simpel ist die Rechnung nicht. Wäre es so einfach, dann müsste Kanzlerin Angela Merkel doch kurz vor der absoluten Mehrheit stehen und Martin Schulz wäre mit der SPD nicht bei katastrophalen 20,5 Prozent gelandet. nd-Redakteur Robert D. Meyer argumentiert, warum auch weiterhin regelmäßig auch über rassistische Twitter-Botschaften der AfD berichtet werden muss.

Natürlich ist die Verständigung über den angemessenen journalistischen Umgang mit der AfD unabdingbar. Doch sollte das nicht lieber redaktionsintern oder in Fachzeitschriften abgehandelt werden? Transparent immerhin ist es, die Leser darüber zu informieren, welche Möglichkeiten bei der Berichterstattung über die AfD bestehen und wie und warum sie genutzt werden oder warum nicht.

Eins steht dabei fest: Es ist schon lange nicht mehr machbar, jede Entgleisung aus den Reihen der AfD zu melden oder zu kommentieren. Es sind einfach zu viele Entgleisungen. Allein die brandenburgische Landtagsfraktion schickt beinahe täglich eine oder mehrere Pressemitteilungen heraus. Jede Woche sind Zitate dabei, die noch vor wenigen Jahren für einen Sturm der Entrüstung gesorgt hätten. Heute nervt es höchstens noch. Ja, die Damen und Herren von der AfD haben wieder einmal etwas Schlimmes gesagt. Aber etwas Anderes war von ihnen auch nicht zu erwarten.

Dabei sind noch nicht einmal die Twitter- und Facebookprofile der einzelnen AfD-Landtagsabgeordneten mitbetrachtet. Wenn man die auch noch im Auge behalten wollte, käme man zu gar nichts anderem mehr und würde trotzdem nicht alle Provokationen gebührend behandeln können.

Inzwischen ist sattsam bekannt, dass die AfD Flüchtlinge abschieben, Rundfunkgebühren abschaffen und Windkraftanlagen abschalten will. Über Asylpolitik, öffentlich-rechtliche Programme und den Klimawandel kann innerhalb des demokratischen Spektrums kontrovers und sachlich diskutiert werden. Mit der AfD ist jedoch keine ernsthafte Debatte möglich, weil sie sich regelmäßig im Ton vergreift.

Dabei ist der Neuigkeitswert gering. Abseits von der nächsten erreichten Eskalationsstufe kann also getrost darauf verzichtet werden, jeder Facette im Verbalradikalismus Beachtung zu schenken. Ein paar Beispiele müssten und sollten genügen. Es ist doch allgemein bekannt, wie die AfD tickt. Das wieder und wieder ausführlich zu illustrieren, stumpft nur ab.

Gegner und Befürworter der AfD rufen allerdings im Internet fleißig auf, was es nur immer über diese Partei zu lesen gibt. Das scheint ihnen nie langweilig zu werden. Das Kürzel AfD in der Schlagzeile führt direkt in die Rangliste der meistgelesenen Beiträge. Klicks sind im Onlinejournalismus das, was zählt. Daran gemessen bräuchte man gar nichts anderes mehr zu schreiben.

Die klassischen Zeitungsleser, die sich die Printausgabe am Frühstückstisch vornehmen, scheinen aber glücklicherweise noch andere Bedürfnisse zu haben, wie sich an Briefen an die Redaktion, an Anrufen und anderen Reaktionen zeigt. Dem sollte Rechnung getragen werden. Man muss nicht auf jede absurde These der AfD reagieren. Wer den Quatsch glauben möchte, dass Angela Merkel die einheimische Bevölkerung gegen Flüchtlinge austauschen wolle, der denkt es so oder so.

Zuweilen gibt es indessen sogar vernünftige oder zumindest nicht völlig abwegige Vorschläge der AfD, Vorschläge, die ebenso von einer anderen Partei kommen könnten. Einzelne AfD-Abgeordnete poltern weniger als der Durchschnitt ihrer Parteifreunde, und sie bemühen sich um einen seriösen Stil. Diese Ausnahmen könnte man im Prinzip unaufgeregt zitieren. Aber es entstünde dann das Bild einer normalen Partei. Dieses Bild wäre schief.

Der Methode des kompletten Totschweigens soll hier keineswegs das Wort geredet werden, zumal es unmöglich wäre, alle Journalisten darauf einzuschwören. So sehr sich die als Lügenpresse verunglimpften Medien vornehmen würden, nur so sparsam zu berichten, wie es einer 13-Prozent-Partei eigentlich angemessen wäre - wenn erst Klicks winken, fliegen die guten Vorsätze über Bord. Hilfreich ist im Zweifelsfall der kollegiale Meinungsaustausch, und sei es mit dem Redakteur des schärfsten Konkurrenzblatts: »Hör mal, machst du da was draus?«

Zugunsten einer Vielfalt der Themen dürfte so manche Meldung über die AfD unter den Tisch fallen, weil sie keinen Nachrichtenwert hat. Das ist Journalistenhandwerk. Dabei geht es gar nicht um die politische Frage: Wem nützt es?

Andreas Fritsche ist Brandenburg- Redakteur bei »neues deutschland«.

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