Ein Heber für die Ewigkeit

Isländischer Handballer trifft bei EM zum Weltrekord

  • Christoph Stukenbrock, Split
  • Lesedauer: 3 Min.

Gudjon Valur Sigurdsson zeigte nur kurz die Faust. Überschwängliche Freude kam beim Kapitän der isländischen Nationalmannschaft nicht auf, als er sein Tor für die Geschichtsbücher erzielt hatte. Sein feiner Heber in der 47. Minute des zweiten Vorrundenspiels brachte den Hexenkessel von Split nur für einen Moment zum Verstummen, die Partie gegen EM-Gastgeber Kroatien war beim Stand von 17:23 längst entschieden.

Dabei gelang Sigurdsson in seinem 343. Länderspiel am Sonntagabend Historisches: Mit Länderspieltor Nummer 1798 überflügelte Islands Linksaußen vom deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen den lange Zeit bestehenden Weltrekord von Peter Kovacs, der in den 70er, 80er und 90er Jahren in 323 Partien für Ungarn insgesamt 1797 Tore erzielt hatte. »Es würde mich nicht wundern, wenn er die 2000 auch noch voll macht«, sagte der deutsche Nationalspieler und Mannheimer Teamkollege Hendrik Pekeler. Vom Weltrekordmann selbst war keine Reaktionen zu bekommen. Warum auch? Schließlich hatte Island 22:29 verloren und nicht verhindern können, dass Gastgeber Kroatien wie Frankreich vorzeitig die Hauptrunde erreichte.

Sigurdsson spricht nicht gern in der Öffentlichkeit, er habe »genug Milch gegeben« rief er einmal einem verdutzten Radioreporter zu. Der 38-Jährige lässt lieber Taten sprechen. Mit 262 Treffern bei zehn Turnieren führt der langjährige Bundesligaprofi, der schon für Kiel, Gummersbach und Essen spielte, auch die »ewige« Torschützenliste bei Europameisterschaften an - recht deutlich vor dem französischen Superstar Nikola Karabatic (229).

Sigurdsson ist der Dauerbrenner der Szene - und der Inbegriff des Musterprofis. Im Gegenstoß, seiner Spezialität, ist er trotz seines fortgeschrittenen Alters noch immer der Erste vor dem gegnerischen Tor und beim Krafttraining oft der Letzte, der den Raum verlässt. Sein Vereinstrainer Nikolaj Jacobsen meinte mal voller Bewunderung über ihn: »Ich glaube, die fressen auf Island Steine.«

Die Karriere des Weltklasse-Linksaußen ist gespickt mit Höhepunkten und Bestmarken. Sein erstes Länderspiel bestritt Sigurdsson vor 19 Jahren. Schon bei der EM 2000, die ebenfalls in Kroatien stattfand, war er dabei. 2007 wurde er Torschützenkönig bei der WM in Deutschland, 2008 gewann Sigurdsson Olympiasilber, 2010 EM-Bronze.

Auf Vereinsebene holte der »Eiskrieger«, wie er seit Gummersbacher Tagen genannt wird, die Champions League sowie den EHF-Pokal und wurde Bundesligatorschützenkönig. Seit 2012 wurde er mit vier verschiedenen Klubs in drei Ländern jedes Jahr nationaler Meister. Auch in der aktuellen Spielzeit führt Sigurdsson mit den Löwen die Bundesligatabelle an.

Doch all das spielt für ihn derzeit keine Rolle. Der Fokus liegt voll auf der EM in Kroatien. Und dem letzten Vorrundenspiel gegen Serbien. Für das Ziel Hauptrunde benötigen die Isländer am Dienstag noch einen Punkt. Sigurdsson ist bereit. SID/nd

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