Ein Sprachrohr für Roma

Senat will Integration mit Rahmenvertrag verbessern / Vorbild ist Baden-Württemberg

»Was wir vorhaben, ist ein Novum für Berlin«, sagt Dotschy Reinhardt. Die Vorsitzende des Landesrates der Roma und Sinti, RomnoKher Berlin-Brandenburg wirbt dafür, zwischen ihrem Verband und dem Senat einen Rahmenvertrag abzuschließen. »Wir wollen dauerhaft Strukturen und Teilhabe für uns als Minderheit schaffen«, erläutert Reinhardt das Vorhaben.

Dotschy Reinhardt ist eine Aufbruchstimmung anzumerken - vor zwei Jahren erst ist der Landesrat RomnoKher gegründet worden, um ein Sprachrohr für die einheimischen wie für die zugezogenen Sinti und Roma zu sein. In Gesprächen mit Vertretern der Landespolitik wiesen Reinhardt und ihre Mitstreiter darauf hin, dass es in Baden-Württemberg bereits einen Staatsvertrag gibt, der in ähnlicher Form auch in Berlin abgeschlossen werden könnte.

Der Vorschlag fand Gehör: Die rot-rot-grüne Landesregierung nahm die Anregung mit in den Koalitionsvertrag auf. Die Instrumente des bisherigen Roma-Aktionsplans sollen weiterentwickelt und die Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Minderheit mit einem Rahmenvertrag neu geregelt werden, heißt es. »Bisher gibt es ja nur den Aktionsplan zur Integration ausländischer Roma. Der ist aber nicht viel mehr als eine Bestandsaufnahme, der die Probleme und Schwierigkeiten benennt«, sagt die Abgeordnete Susanna Kahlefeld (Grüne).

Herzstück eines Rahmenvertrages soll ein »Rat für die Angelegenheiten der Sinti und Roma« sein, dem jeweils sechs Vertreter der Sinti und Roma sowie der Landespolitik und Senatsverwaltung angehören sollen. Die Ratsangehörigen der Sinti und Roma sollen ihrerseits im engen Austausch mit der Community stehen und ihre Belange auf Augenhöhe mit Vertretern der Politik und Verwaltung erörtern. Der Rat soll dabei ein Vorschlagsrecht haben und beispielsweise zu mehr Gleichberechtigung auf dem Wohnungsmarkt anregen oder mehr Transparenz bei der Vergabe von Fördermitteln für die Minderheit einfordern. Dotschy Reinhardt erhofft sich von einem solchen Rat, dass er langfristig zu einem besseren Ansehen der Sinti und Roma in der Stadt beiträgt.

Doch mit diesem Vorhaben haben die Diskussionen erst begonnen. Ein Rahmenvertrag wird nämlich gemeinhin nur mit einer Organisation abgeschlossen. Vorgesehen dafür ist bislang der Landesrat RomnoKher, der zwar bundesweit mit 36 Sinti-und-Roma-Initiativen vernetzt ist. Doch die Berliner Community hat viele Facetten. »Es ist eine Besonderheit in Berlin, dass es nicht nur einen Verband gibt, sondern eine vielschichtige Szene existiert, in der alle ihre Interessen gewahrt sehen wollen«, sagt die Integrationsexperte der Linksfraktion, Katina Schubert. Unverständnis gab es innerhalb der Community etwa darüber, dass der alteingesessene Landesverband der Sinti und Roma in den Verhandlungen keine Berücksichtigung finden sollte. »Das haben wir unterschätzt«, gibt Susanna Kahlefeld zu. »Auch andere Organisationen, haben gute Strukturen. Wir bemühen uns jetzt, für Berlin eine passende Lösung zu finden, damit sich keiner benachteiligt fühlt.«

Drei Runde Tische fanden bislang statt. Zwei hat RomnoKher einberufen, um mit den Sinti-und-Roma-Organisationen das weitere Vorgehen zu besprechen. Ein weiteres Treffen fand im Dezember im Abgeordnetenhaus mit Vertretern der Regierungsparteien statt. Die Diskussionen verliefen kontrovers; manchmal schien es, als würden Vertreter der Sinti und Roma alles auf dem Prüfstein stellen wollen. Aber von Problemen und Verwerfungen innerhalb der Community will Dotschy Reinhardt nicht sprechen, schließlich seien die ausgearbeiteten Eckpunkte für einen Rahmenvertrag auf eine breite Zustimmung gestoßen. »Wir sind noch in den Verhandlungen. Das ist ein Prozess, wie bei Koalitionsverhandlungen auch«, gibt sie zu bedenken. Schließlich geht es darum, wer den Vertrag abschließen und wer Sprachrohr für die überaus heterogene Community sein darf. Wichtig sei, sagt sie, dass sowohl die einheimischen als auch für die zugewanderten Sinti und Roma einbezogen werden.

»Wenn wir wollen, dass eine solche Einigung Sinn macht, dann dürfen wir kein Gremium von oben herab errichten«, ist sich auch Katina Schubert sicher. Niemand solle über einen Kamm geschoren werden, sondern es »muss mit den den Vertretern der Verbände solange diskutiert werden, bis es eine Lösung gibt, die von allen angenommen wird«.

Der Berliner Integrationsbeauftragte Andreas Germershausen ist zuversichtlich, dass es in dieser Legislaturperiode noch zu einer Einigung kommt und das Vorhaben umgesetzt werden kann. Das ist auch Dotschy Reinhardt. Wenngleich sie weiß, dass es innerhalb der Landespolitik auch Leute gibt, die sich ein Scheitern des Rahmenvertrages wünschen.

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