Mit Blut, Schweiß und Tränen

H&M ist in die Schlagzeilen geraten. Elmar Wigand hat sich das Geschäftsmodell der Schweden genauer angeguckt.

  • Elmar Wigand
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Aktienkurs des schwedischen Modekonzern H&M ist bereits seit Monaten im Sinkflug. Das Foto eines kleinen, schwarzen Jungen, der in einem grünen Kaputzenpulli mit der Aufschrift »Coolest Monkey in the Jungle« (Der coolste Affe im Dschungel) gesteckt wurde und damit für die Textilien des Konzerns werben sollte, war nur die Spitze des Eisbergs. Anders als die internationale Wirtschaftspresse berichtet reicht ein rassistisches Werbefoto für ein solches Erdbeben, wie es H&M gerade erlebt, nicht aus. Bei dem Foto handelt sich bei näherer Betrachtung auch nicht um einen »Ausrutscher«. Das Problem ist das gesamte H&M-Geschäftsmodell sowie ein familiengeführtes Management, das vor Arroganz, Selbstverliebtheit und Hybris strotzt.

Einem anderen Unternehmen hätten Bürgerrechtler, Gewerkschafter, Kämpfer für eine gerechte Wirtschaftsordnung und Tierrechtler diesen einen Fehltritt vermutlich leichter durchgehen lassen. H&M aber wirkt inzwischen vom Kopf bis zu seinen einzelnen Gliedern auf verschiedenste Zielgruppen rund um den Globus so verfault, dass Zweifel und Verdacht am gärigen Markenimage kleben bleiben wie Fruchtfliegen auf der Suche nach Nahrung.

Der Absturz der H&M-Aktie begann nach Presseberichten über den Aktionstag Schwarzer Freitag am 13. Oktober 2017. Die aktion ./. arbeitsunrecht hatte an dem Tag mit Unterstützung von ver.di und Betriebsräten bei H&M Proteste in 20 deutschen Städten organisieren können. Es ging um die systematische Bekämpfung von aktiven Betriebsräten mittels Schikanen, Abmahnungen und fingierten Kündigungen mit Hilfe der Kanzlei DLA Piper. Und es ging gegen unfreiwillige Teilzeitarbeit und »Flex-Verträge«.

Die Umsätze für das vierte Quartal brachen um weltweit vier Prozent ein, obwohl der Konzern ein Wachstum von sieben Prozent als Ziel ausgegeben hatte. Nach Bekanntgabe der Zahlen am 15. Dezember rauschte der Kurs erst recht in den Keller. Auf den ersten Blick erscheint es unwahrscheinlich, dass allein Imageprobleme im deutschen Markt für den weltweiten Kurssturz verantwortlich sein sollen. Doch der »beste Niedriglohnsektor Europas« ist nicht nur ein Paradies für schlecht bezahlte Arbeit bei hoher Arbeitsverdichtung. H&M machte in Deutschland 2016 in 440 Filialen einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Erst weit dahinter folgen die USA mit 2,7 Milliarden und Großbritannien mit 1,9 Milliarden. Man kann sagen: Die Mutterländer von Working poor (Armut trotz Arbeit) und Workfare (Arbeit statt Sozialhilfe) und deren gelehrigster Schüler Deutschland bilden sowohl die Absatzmärkte für H&M als auch das Reservoir an günstiger Arbeitskraft.

Am 15. Oktober 2017 enthüllte der dänische Sender TV2, dass H&M nicht verkaufte Kollektionen bereits seit 2013 in einem Heizkraftwerk in Roskilde verbrennt. Bis zu zwölf Tonnen im Jahr gehen durch den Kamin. Der US-Nachrichtendienst Bloomberg recherchierte weiter, dass auch in der Stadt Västerås nördlich von Stockholm rund 15 Tonnen H&M-Textilien pro Jahr verbrannt werden. Auch das dürfte zum Aktiensturz beigetragen haben.

Die H&M-PR verkaufte das Verbrennen als Glanzleistung. Das Kraftwerk könne durch die Umstellung auf »nachwachsende Rohstoffe« auf Kohleverbrennung verzichten. Nachwachsende Rohstoffe! In den H&M-Textilien stecken Blut, Schweiß, Tränen und Kinderarbeit. H&M lässt den grausamsten Teil seiner Wertschöpfung in Asien von einem Dickicht aus Subunternehmern betreiben, die in Bangladesch, Indien und Pakistan rund 1900 Fabriken unter teils abenteuerlichen Bedingungen betreiben. Auf der anderen Seite türmt sich obszöner Reichtum: Stefan Persson, H&M-Hauptaktionär und reichster Schwede, kaufte sich 2009 als eine Art bizarres Hobby ein ganzes englische Dorf, obwohl er bereist ein 34 Hektar großes Anwesen in Wiltshire bewohnte. Linkenholt in der Grafschaft Hampshire wird seitdem als eine Art begehbare Modellbauidylle für Reiche betrieben.

Die gewerkschaftsnahe Clean Clothes Campaign fordert von H&M seit langem, Textilarbeiterinnen einen Lohn zu zahlen, der zum Leben reicht. Doch der Konzern reagierte mit Lippenbekenntnissen. Deshalb wird die H&M-Aktie voraussichtlich weiter abschmieren - dies als Tipp am Rande an alle Kapitalmarktspekulanten -, denn für das Jahr 2018 will die Clean Clothes Campaign den Druck auf H&M weltweit erhöhen. Und das wird jetzt erst recht eine breite Resonanz finden.

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