Halbtagskraft

Donald Trump ist nicht der erste US-Präsident mit großem Freizeitbedürfnis

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Debatte um Donald Trumps Eigenheiten, die mit dem bald auf Deutsch vorliegenden Skandalbuch »Fire and Fury« von Michael Wolff und seinem jüngsten rassistischen Ausfall über »Drecksloch-Länder« neu angefacht wurde, befasst sich zunehmend auch mit dem Umstand, dass der 45. US-Präsident als Arbeitspferd nicht direkt auffällt. Ein Jahr nach Amtseinführung schrieb jetzt Chauncey Devega im Magazin »Salon«, wiewohl auch Barack Obama gern Golf spielte, sei Trump im Vergleich zu ihm »extrem faul«. Trump habe als Präsident »bisher mindestens 25 Prozent solchen Freizeitaktivitäten gewidmet. Es heißt, er verbringe jeden Tag wenigstens drei Stunden ›ganz für sich‹. Dann schaut er im Bett pausenlos Fox News, twittert und isst Fast Food.«

Historiker Matthew Rozsa schreibt, Trump nehme gewöhnlich gegen elf seine erste Beratung wahr. Rozsa listete aus den vom Weißen Haus zugänglichen Unterlagen einen typischen Arbeitstag auf: »Am Dienstag hat Trump seinen ersten Termin um 11 Uhr mit Stabschef John Kelly. Anschließend nimmt er eine Auszeit, gefolgt von einem einstündigen Lunch im privaten Speiseraum. Dem schließt sich eine weitere Auszeit von 1 Stunde und 15 Minuten an, danach ein 45-minütiges Treffen mit Sicherheitsberater H.R. McMaster. Dann wieder 15 Minuten Auszeit, bevor Trump seinen letzten Termin wahrnimmt, ein Treffen um 15.45 Uhr mit Johnny DeStefano, Personalchef des Präsidentenstabes. Der offizielle Kalender endet um 16.15 Uhr.« Zu Beginn der Amtszeit habe er wesentlich länger Termine gehabt. Doch je mehr ihm der Spaß im Weißen Haus verging, habe er darauf gedrängt, später zu beginnen.

Der Autor von »Fire and Fury«, Wolff, schrieb nach Interviews mit vielen Beschäftigten aus dem Umfeld des Präsidenten, Trump habe Schwierigkeiten, sich länger als je zehn Minuten auf etwas zu konzentrieren. »Jeder stellte schmerzlich fest, in welchem Maße sich Trump wiederholt. Zunächst war es eine Spanne von rund 30 Minuten, ehe die Wiederholungen einsetzten, Wort für Wort, Geste für Geste. Dann geschah dasselbe alle 10 Minuten. Tatsächlich waren viele seiner Tweets Ergebnis von Wiederholungen - er konnte einfach nicht aufhören, etwas zu sagen. Irgendwas.«

Ben Jacobs erinnerte für den Londoner »Guardian« nicht nur an die Gepflogenheiten der heutigen Halbtagskraft im Weißen Haus, sondern auch an vergleichbare Gewohnheiten manches früheren US-Präsidenten. Mehrere Historiker stellten zuletzt Trumps ungewöhnlich großes Freizeitbedürfnis fest, verwiesen aber auch auf Präzedenzfälle mit ähnlicher Tendenz. Der Historiker Evan Thomas schilderte, dass der unter Schlaflosigkeit leidende Richard Nixon (1969 - 1974) jeden Nachmittag »Mitarbeiterzeit« verfügte, um selbst Mittagsschlaf zu halten. Präsident Dwight Eisenhower habe ebenfalls regelmäßige Mittagsruhe eingebaut.

Auch für Trumps Golf-Liebe gibt es Vorbilder. Eisenhower rückte während seiner Zeit (1953 - 1961) mehr als 800 Mal zum Golfen aus. Woodrow Wilson (1913 - 1921) war nicht nur der erste US-Präsident, der eine Pressekonferenz abhielt, er dürfte auch den Golf-Rekord innehaben - er versuchte buchstäblich täglich, auf den Rasen zu kommen. Historiker David Karol merkt an, dass Trump oft mit Ronald Reagan (1981 - 1989) verglichen werde, dem Schauspieler-Präsidenten, dem man gleichfalls ein entspanntes Verhältnis zur Bürde des Alltags nachsagt. Der Unterschied zu Trump bestand laut Karol darin, »dass immer dann, wenn Reagan ein Nickerchen machte oder sich einen alten Film ansah, die Leute nichts davon erfuhren. Weil Trump aber so viel twittert und die Tweets vielfach eindeutig von Fox-Meldungen inspiriert sind, die keine zehn Minuten vorher über den Sender gelaufen waren, ist klar, womit er seine Zeit so verbringt.« Der Reporter und Redenschreiber für Jimmy Carter (1977 - 1981), Walter Shapiro, bringt eine sicher bedenkenswerte Note ein: »Ich habe kein Problem mit Trumps laxem Terminkalender. Ich wünsche förmlich, dass er so wenig wie möglich arbeitet. Bei einem, der Informationen nicht verarbeiten kann und kein Interesse an Politik hat, erscheint es mir als die beste Nachricht, zu hören, dass er einen Vier-Stunden-Tag hat.«

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