Glömeriches aus der alten Kaiserstadt

Sachsen-Anhalt: Auch in Tangermünde an der Elbe hat man die naturbelassene Bierherstellung wiederentdeckt

  • Uwe Kraus, Tangermünde
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Premiere-Pappe, woanders Filz oder Bierdeckel genannt, liegt noch auf dem Tisch. »Nach 100 Jahren Pause eröffnen wir mit einer großen Sause« steht darauf. Auf dem Neumann’schen Hof der alten Kaiserstadt Tangermünde, von 1373 bis 1378 der Zweitsitz von Karl IV., wird wieder Bier gebraut. Armin Schulz und sein Sohn Christian starteten im November mit drei Craftbeer-Sorten in das Hopfen-Geschäft. Gleich neben »Schulzens Hotel« und der Museumsscheune fließt »Schulzens Hofbräu« in die »Dicke Dörte« - so heißen die Zwei-Liter-Brauhaus-Flaschen.

Derzeit werden drei Bierstile produziert, aber man wolle sich »geschmacklich behutsam vortasten«, erklärt Christian Schulz, der in Personalunion Hotelier, Museumsleiter und jetzt auch Brauerei-Chef ist. Eigentlich war nur eine Gasthausbrauerei geplant, aber dann wurde die Technik doch aus dem Restaurant in die benachbarte Scheune verlagert, wo die Brauerei auf 300 Quadratmetern Fläche derzeit bis zu 5000 Hektoliter im Jahr produzieren kann.

Damit liegen die Schulzens voll im Trend. Die Rückbesinnung auf die naturbelassene Bierherstellung boomt gegenwärtig vielerorts. Mini-Brauereien beziehungsweise Craftbeer-Brauereien überzeugen mit cleveren Marketingkonzepten und Produktvielfalt.

Mit 6000 verschiedenen Biermarken aus über 400 Brauereien zeichnet sich Deutschland seit jeher durch eine enorme Biervielfalt aus, heißt es vom Deutschen Brauer-Bund. Die Palette reicht vom Pils, dem nach wie vor beliebtesten Bierstil der Deutschen, über das Altbier in Düsseldorf, das Kölsch in Köln, die dunklen fränkischen Biere bis hin zum Weißbier in Bayern und dem fast blickdichten Schwarzbier aus Sachsen.

Als Vorreiter der Craftbeer-Bewegung in Europa gilt die in Kopenhagen ansässige Mikkeller-Brauerei, die mit Barrique-Lagerung, Mango- und Passionsfrucht sowie Gewürzen im Sud und Champagnerhefen von sich reden macht. Doch auch in der Bierhochburg Deutschland beweisen engagierte Brauer, dass es gelingt, neue, spannende Biere aus den vier natürlichen Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe zu zaubern. Mit Blick auf die selteneren Bierstile gibt es im Reinheitsgebot eine Ausnahmeregel. Anwendung findet diese bei Getränken wie der althergebrachten Berliner Weiße, der Leipziger Gose, dem Kürbisbier oder der alten, wiederentdeckten Rezeptur eines Witbiers, bei dem die Braumeister zur Veredelung des Getränks Orangenschalen und Koriandersamen verwenden. Die Braukunst verstehe sich gleichzeitig als Gestaltungskunst, meint man beim Brauer-Bund.

Dass das Tangermünder Bier glömerich ist, wie die Altmärker sagen, also durchsetzt mit Schwebteilen, heiße nicht, dass es dadurch schlecht sei, erläutert Christian Schulz bei seinen regelmäßigen Brauereiführungen. »Unser Bier ist naturbelassen, also unfiltriert und nicht wärmebehandelt.« Dadurch seien die Biere jedoch nur für etwa vier Wochen haltbar. Neben Verkostungen plant das Schulz-Duo 2018 erstmals Braukurse im Gär- und Lagerkeller. Viel Wert werde dabei auf die Hopfen- und Malz-Aromatik gelegt, sagen die Brauer. Schließlich habe in den vergangenen Jahren deren Sortenvielfalt deutlich zugenommen. »Bier ist mehr als das Einheitsgebräu der großen Anbieter. Wir stehen als Brauerei für die regionale Verbundenheit«, erklären Vater und Sohn. »Wir bieten ein ›bieriges‹ Erlebnis bei uns im Haus, aber auch im Elbgarten dahinter - mit Blick auf den Fluss.«

Doch nicht nur eigenes Helles und Dunkles, Pale Ale oder Berliner Bier mit 10,5 Prozent Stammwürze kann hier »gezischt« werden. Mit dem Slogan »Zinsens Zisch - Investier’ in Bier« werben die Brauerei-Chefs um Bierliebhaber, die sich am Ausbau der Brauerei und damit an der Förderung heimischer Bierkultur beteiligen. »Einst war es ein gängiges Mittel, Brauereien über sogenannte Bieraktien zu finanzieren«, sagt Christian Schulz. »Wir wollen in weitere Lagertanks und in eine Flaschenreinigungs- und Abfüllanlage investieren.« Und er fragt: »Wo gibt es heute noch vier Prozent Zinsen?« Dazu kommen jährlich Freibier oder Fassbrause, die als »Hopfen-Holunder« aus dem Zapfhahn fließt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal