Zwischen Trauer und Stolz

Angelique Kerbers Rückkehr an die Tennisweltspitze endet zunächst im Halbfinale der Australian Open

  • Wolfgang Müller, Melbourne
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Ende eines zweistündigen Halbfinalspektakels ohne Happy End sehnte sich Angelique Kerber völlig entkräftet nach etwas Ruhe und ein paar freien Tagen zu Hause. Sie wolle jetzt »einfach mal den Schläger in die Ecke legen«, erzählte die 30 Jahre alte Kielerin nach ihrem aufregenden Match. Gegen die Weltranglistenerste Simona Halep hatte Kerber bei den Australian Open schnell 0:5 zurückgelegen, kämpfte sich dann zurück, wehrte zwei Matchbälle ab, vergab selbst zwei davon und musste sich doch noch 3:6, 6:4, 7:9 geschlagen geben.

»Ich fühle nicht, dass ich das Match verloren habe, sie hat es am Ende gewonnen«, sagte Kerber. Zum ersten Mal im neuen Jahr musste die Rückkehrerin der vergangenen Wochen wieder eine Niederlage kommentieren. Es fiel ihr sichtlich schwer, ihre Gefühle richtig einzuordnen. Sie sei »traurig«, sagte Kerber, aber auch »stolz und glücklich«.

19 Matches in nur 25 Tagen hat Kerber im Jahr 2018 gespielt. Beim Hopman Cup in Perth gewann sie all ihre Einzel, das Turnier in Sydney gewann sie dann, und beim Grand Slam in Melbourne wurde sie erst von der derzeit besten Spielerin der Welt gestoppt, als nur noch vier Spielerinnen dabei waren.

»Wenn mir jemand noch vor vier Wochen gesagt hätte, dass ich so viele Matches in Folge gewinne, dass ich 2018 schon so früh einen Titel hole und hier im Halbfinale stehe mit der Chance aufs Finale, und dass ich wieder mein Tennis spiele, da weiß ich nicht, ob ich das direkt so geglaubt hätte«, sagte Kerber - und schob sofort den Satz hinterher: »Aber das ist eingetroffen und einen besseren Start hätte ich mir nicht vorstellen können.« Die erste Niederlage nach zuvor 14 Siegen in Serie ließ die neue Nummer neun der Welt jedenfalls nicht verzweifeln.

Das Australien-Abenteuer war genau das richtige Aufbauprogramm für Kerber nach dem verkorksten Vorjahr. Obwohl es gegen die stark aufspielende Halep letztlich nicht zum vierten Grand-Slam-Endspiel reichen sollte und der heimliche Traum vom dritten großen Titel nach den Australian Open und den US Open 2016 nach 2:20 Stunden in der tobenden Rod-Laver-Arena zerstob, darf Kerber stolz und voller Zuversicht ihre Heimreise antreten. In dem Wissen, dass sie zurück ist. Oder zumindest auf dem besten Weg zur Form ihres magischen Jahres 2016.

Im Endspiel am Sonnabend (9.30 Uhr, Eurosport) geht es nun auch darum, wer danach die Nummer Eins der Tenniswelt sein wird. Im Duell zwischen Halep und der Dänin Caroline Wozniacki wird außerdem eine neue Grand-Slam-Siegerin gekrönt, denn für beide wäre es eine Premiere.

Kerber aber wird weitere Chancen bekommen. Wenn sie so spielt wie in den ersten drei Wochen, dann sicher schon in diesem Jahr. »Ich habe wieder mein Herz auf dem Platz gelassen und bis zum Schluss gekämpft. Das zeichnet mich aus, das hat mich 2016 ausgezeichnet, und ich glaube, dass ich das auch mitnehmen werde für den Rest des Jahres«, sagte Kerber.

Den Satz, dass sie das vermaledeite Jahr 2017 hinter sich gelassen habe und nicht mehr zurückblicke, hat Kerber in den vergangenen Tagen auf Wiedervorlage gelegt und in ständig wechselnden Variationen oft genug zum Besten gegeben. Dass sie es unter ihrem neuen Trainer Wim Fissette wieder genieße, Tennis zu spielen, war an diesem Abend im Melbourne Park auch keine brandneue Meldung mehr.

»Die Wende«, sagte Kerber, »die Wende war nicht heute, die habe ich schon in Perth und in Sydney gespürt.« Nun werde sie all die positiven Dinge aus den vergangenen Wochen mitnehmen. »Ich fliege mit einem positiven Gefühl nach Hause und freue mich auf die nächsten Turniere.« dpa/nd

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