nd-aktuell.de / 30.01.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 2

Schlechte Luft durch Staus

Verkehrsvermeidung und Tempolimits wären hilfreich

Kurt Stenger

Wohl dem, der am 24. Mai 2017 nicht mit dem Auto unterwegs war. Der Tag vor Christi Himmelfahrt war der staureichste Tag des gesamten Jahres - auf 10 000 Kilometer staute sich der Verkehr, wie der Autoclub ADAC errechnet hat. Überhaupt ging es auf den Straßen schleppender voran: Während Fernzüge zunehmend pünktlicher unterwegs sind, nahm die Anzahl der Staus 2017 um vier Prozent auf rund 723 000 zu. Anders als bei der Bahn gibt es aber für den Autoverkehr keine Debatte über Pünktlichkeit.

Die gute Konjunkturlage in Verbindung mit stark gesunkenen Spritpreisen dürfte die Stausituation verschärft haben: Die Bürger machen wieder häufiger Urlaub. Der Neu- und Ausbau des Straßennetzes sorgt dabei genauso wenig für reibungslos fließenden Verkehr wie Umgehungsstraßen, die für viele Kommunalherren Prestigeprojekte sind. Im Gegenteil: Ein besseres Straßennetz verleitet noch mehr Bürger, häufiger mit dem Auto zu fahren oder gerade die neuen Straßen zu nutzen, auf denen es sich dann mehr staut.

Auch der Einsatz technischer Hilfsmittel zur Früherkennung von Staus bringt wenig: Satellitengestützte Navigationssysteme weisen zwar frühzeitig auf eine Alternativstrecke hin. Aber wenn sich die meisten Nutzer daran halten, staut es sich eben auch auf dieser. »Insgesamt gibt es mehr Staus durch Navis, weil Staus jetzt auch auf Strecken entstehen, auf denen vorher nichts los war«, erklärt der Verkehrsforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen.

Die zunehmenden Staus sind nicht nur nervig für Pendler, sondern sie schädigen auch die Gesundheit der Stadtbewohner. Wenn Autos sehr viel länger unterwegs sind, verbrauchen sie mehr Sprit und stoßen mehr Schadstoffe aus. Die in vielen Autos eingebaute Start-Stopp-Automatik hilft hierbei wenig: Der Ausstoß ist besonders beim Anfahren hoch.

Ob Stadtluft- oder Staudebatte: Weder technische Hilfsmittel noch Straßenbau sorgen für Besserung, sondern die Verlagerung von Personen- und Güterverkehr auf die Schiene oder die Stärkung des Radverkehrs. Es ist ein Binsenweisheit: Wenn weniger Autos und Lkw unterwegs sind, staut es sich eben auch weniger.

Auch striktere Tempolimits können helfen. Viele Staus sind, wie Mobilitätsforscher es nennen, »Phantomstaus«, für die es keine sichtbare Ursache wie einen Unfall gibt. Sie entstehen durch die extrem unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen Verkehrsteilnehmer unterwegs sind. Wenn dadurch auf stark befahrenen Straßen sehr viel und abrupt gebremst wird, setzt sich dies über Kilometer nach hinten wie in einer Welle fort - nicht selten bis hin zum Stillstand. Kurzum: Mit Tempo 100 oder 110 auf der Autobahn - in vielen Ländern Normalität - gäbe es deutlich weniger Staus.