• Berlin
  • Putzroboter bei der Deutschen Bahn

Ketchup und andere Hindernisse

Bei der Bahn sollen Reinigungsroboter Putzkräfte ergänzen, nicht ersetzen

  • Marie Frank und Johanna Treblin
  • Lesedauer: 4 Min.

Futuristisch sehen die neuen Putzroboter, die am Dienstag im Berliner Hauptbahnhof vorgestellt werden, nicht gerade aus. Eher nach sehr viel Hartplastik in bunten grellen Farben. Wer also eine Art R2-D2 in Putzuniform erwartet hatte, dürfte enttäuscht sein. Doch ums Aussehen ging es beim Reinigungsroboterrennen der Deutschen Bahn auch nicht, vielmehr um optimale Reinigungsleistung und Reaktionsfähigkeit.

Dafür wurden auf einem 200 Quadratmeter großen Parcours Cola und Milch verschüttet sowie Ketchup und Mayo verteilt. Vier Hersteller traten anschließend mit ihren Reinigungsmaschinen gegeneinander an.

Sobald die Fahne geschwenkt wird, geht es los für die smarten Schrubber: Während der kleine rote einen Milchfleck ignoriert und der orangefarbene wegen eines Hindernisses nicht weiter fährt, ziehen der blaue und der grüne Roboter stur ihre Runden. Läuft ihnen ein Mensch über den Weg, bleiben sie stehen. Erst nach einer kurzen Pause setzen sie ihren Weg fort. Unter den neugierigen Blicken ihrer menschlichen Putz-Kollegen schaffen sie es am Ende alle, die Fläche grob sauber zu bekommen. Für die Feinarbeit reicht es indes noch nicht.

Insgesamt scheint bei den Robotern noch Entwicklungsbedarf zu bestehen, aber genau deshalb hat die Deutsche Bahn das Rennen ja auch veranstaltet. Der Gewinner erhält einen Zweijahresvertrag mit der DB, um die Bahnhofsreinigung weiterzuentwickeln. Der Bedarf ist riesig: Insgesamt 1,8 Millionen Quadratmeter Fläche müssen bundesweit täglich gereinigt werden. Allein im Berliner Hauptbahnhof sind es 15 000 Quadratmeter. Dafür gibt die Bahn ihrer Auskunft nach einen zweistelligen Millionenbetrag aus. Wie viel der flächendeckende Einsatz von Reinigungsrobotern kosten würde, ist noch völlig unklar. »Um das zu sagen, ist es zu früh. Vielleicht kommen wir ja auch zu dem Ergebnis, dass es sich gar nicht lohnt«, sagt Bahnsprecher Achim Strauß. Dann werden auch bei der Bahn weiterhin Menschen die Fußböden reinigen.

Wie prekär Reinigungskräfte häufig arbeiten, beschreibt Rainald Goetz in seinem Roman »Johann Holtrop« von 2012. »Wenn in Krölpa der Pförtner kurz vor sieben Uhr hinter dem Empfangstressen seinen Platz einnahm und bald auch schon die ersten Angestellten in den geputzten Zimmern ankamen, war alles aufgeräumt und sauber gemacht, ohne dass die Angestellten selbst davon viel mitbekommen hätten oder das besonders bemerken würden«, heißt es dort - hier leicht verkürzt wiedergegeben.

Nicht nur im fiktiven Krölpa werden die meisten Büroräume außerhalb der regulären Arbeitszeiten geputzt. Wer einen Vollzeitjob in einem Gebäudereinigungsunternehmen haben möchte, wird selten um sogenannte geteilte Dienste herumkommen, erklärt Alexandra Boehlke-Grunwald, Geschäftsführerin der Gebäudereiniger-Innung Berlin. Das heißt, dass die Reinigungskräfte ein paar Stunden am frühen Morgen und noch einmal ein paar Stunden am späten Nachmittag oder Abend arbeiten. Für diese Arbeitszeiten sei es schwierig, Personal zu finden, so Boehlke-Grunwald. Die Branche suche ständig nach Fachkräften. Das zeigt auch der Blick auf ein Jobportal im Internet. Dort sind allein in den vergangenen zehn Tagen 20 Suchanzeigen für Gebäudereiniger hinzugekommen. Die Jobs sind teilweise unbefristet, teilweise werden Sonderzahlungen für Schichtdienste versprochen.

Dabei liegt der Lohn bereits über dem allgemeinen Mindestlohn: Seit dem 1. Januar gilt in Berlin ein Satz von 10,30 Euro pro Stunde - zumindest in solchen Unternehmen, deren Mitarbeiter zu mehr als 50 Prozent in der Gebäudereinigung tätig sind.

Nicht nur die Arbeitszeiten des Reinigungspersonals machen den Beruf zu einer prekären Tätigkeit. Weniger als die Hälfte der berlinweit über 35 000 Putzkräfte ist laut dem »Branchenreport Gebäudereinigung« sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Von diesen arbeitet nur ein knappes Drittel in Vollzeit.

Bei dem Fachkräftemangel scheint es gar keine schlechte Idee zu sein, Reinigungsroboter nicht nur im privaten Haushalt einzusetzen, sondern auch für Büroflächen und an Bahnhöfen. Einige Roboter können nicht nur Böden reinigen, sondern auch Papierkörbe leeren. Staub wischen können sie aber beispielsweise noch nicht.

Die Digitalisierung der Gebäudereinigung hat die IG Bau auf dem Schirm, wie Gewerkschaftssekretär Jens Korsten sagt. »Wir achten gemeinsam mit den Betriebsräten darauf, dass es eine Balance gibt. Dass die Vorteile genutzt werden und Nachteile nicht überwiegen.«

Der Gewinner des Roboterwettbewerbs vom Dienstag soll in den nächsten Tagen ermittelt werden. Anschließend soll er zwei Jahre lang die »Reinigungsteams unterstützen«, wie die Bahn mitteilt. Die Roboter sollen keine Konkurrenz zu den menschlichen Reinigungskräften sein, sagt Bahnsprecher Strauß. »Es geht weniger um Ersparnis als um Intensivierung.«

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