nd-aktuell.de / 03.02.2018 / Politik / Seite 6

Wirtschaft wichtiger als Wiedervereinigung

In einer Stichwahl entscheidet Zypern am Sonntag über den neuen Präsidenten / Amtsinhaber Anastasiades nur knapp vor linkem Herausforderer

Christiane Sternberg, Nikosia

Die Personalie des Finanzministers könnte der linken AKEL am Sonntag bei der Stichwahl um den Präsidentenposten der Republik Zypern wertvolle Wählerstimmen einbringen. Als Stavros Malas, der unabhängige Kandidat der AKEL, beim TV-Duell am Mittwoch verkündete, der oberste Zahlmeister werden nicht aus den Reihen der Kommunisten kommen, war das ein Versuch, das Vertrauen der Bevölkerung in die Finanzpolitik der Linken zu stärken. Malas trägt an dem schweren Erbe des letzten AKEL-Präsidenten Dimitris Christofias, dessen Regierung die Schuld am wirtschaftlichen Kollaps des Landes 2013 gegeben wird. Trotzdem stimmten bereits im ersten Wahlgang vergangenen Sonntag 30,25 Prozent der Wahlberechtigten für Malas. Höhere Werte erlangte nur noch der amtierende Präsident Nikos Anastasiades von der konservativen DISY (35,5 Prozent).

Der Schock der ökonomischen Krise vor fünf Jahren steckt den Zyprern so tief in den Knochen, dass der Wirtschaft im Wahlkampf mehr Platz eingeräumt wurde als dem Problem der Teilung der Insel. Anastasiades betonte dabei die Erfolge seiner Amtsperiode. Er übernahm 2013 einen bankrotten Staat, inzwischen ist der wieder kreditwürdig. Mit der Bewilligung von 10 Milliarden Euro Hilfsgeldern aus dem EU-Rettungspaket gingen allerdings rigide Sparmaßnahmen einher: Die zweitgrößte Bank des Landes wurde geschlossen und die Bank of Cyprus konnte nur mit Zwangsabgaben auf Guthaben über 100 000 Euro gerettet werden. Ein Einschnitt, der vielen Menschen ihr Erspartes nahm. Die sozialen Härten sind noch längst nicht ausgestanden.

Tatsächlich können 45 Prozent aller Kredite nicht bedient werden und gegen die verschärften Rahmenbedingungen für Zwangsvollstreckungen und Konkursverfahren gibt es erbitterte Proteste. Die Vorstellung, einer Familie ihr Heim zu pfänden, nur weil sie die monatliche Rate nicht aufbringen kann, gilt den Zyprern als politisches und soziales Verbrechen.

Die linke AKEL hatte die sozialen Ungerechtigkeiten zum Wahlkampfthema gemacht. Malas prangerte die Arbeitslosenrate von 11,3 Prozent und das Fehlen gesetzlicher Mindestlöhne an. Er versprach die engere Verknüpfung von wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und ein gemischtes Wirtschaftsmodell unter der führenden Rolle des Staates, jedoch mit unternehmerfreundlichem Klima.

Die Wiedervereinigung des Landes haben die Zyprer aber bei allem Primat der Ökonomie nicht aus den Augen verloren. Die beiden Gewinner der ersten Wahlrunde sind die einzigen der insgesamt neun Kandidaten, die an einer kompromissbereiten Lösung des Zypernproblems interessiert sind. Ein eindeutiger Auftrag von den Wählern. Anastasiades hatte die Gespräche zur Wiedervereinigung weiter vorangebracht als je einer seiner Vorgänger in den vergangenen 44 Jahren. Dass die Verhandlungen im Sommer 2017 gescheitert sind, führt er auf die starre Haltung der Türkei zurück. Dennoch verspricht er, nach seiner Wahl die Gespräche mit seinem türkisch-zyprischen Dialogpartner Mustafa Akinci so schnell wie möglich wieder aufnehmen zu wollen. Auch Stavros Malas will umgehend die Verhandlungen in Gang setzen.

Doch aus den Parteien der abgewählten Kandidaten formiert sich eine Front der Hardliner. Die so genannten Zentrumsparteien (konservative DIKO, sozialistische EDEK, die Grünen und die Solidaritätsbewegung) wollen sich als dritte politische Richtung positionieren. Ihnen geht die Annäherung von Nikos Anastasiades und Stavros Malas an die Position der Gegenseite zu weit. Der neue Präsident wird an zwei Fronten kämpfen müssen - am Verhandlungstisch mit der türkisch-zyprischen Delegation und im Nationalrat gegen die Einwände der eigenen Opposition.