Kim kaufte sein Raketenwunder

Sanktionen fruchten nicht, Experten entdeckten Ähnlichkeiten mit sowjetischen Typen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Freitag werden die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang beginnen. Man erwartet Wunder von ihnen. Die Begegnung der Sportler könnte eine Art Eisbrecher sein, um die seit dem Kriegsende 1953 extrem frostigen Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea, die für den Frieden in der Region höchst gefährlichen sind, ein wenig zu verbessern.

Aber gerade das passt nicht allen in den Kram. US-Vizepräsident Mike Pence und der japanische Premier Shinzo Abe werden gemeinsam zur Eröffnung der Spiele fahren - um sich mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae zu treffen. Sie wollen ihn davor warnen, eine allzu versöhnliche Haltung gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea einzunehmen. Zugleich werden sie den Gastgeber daran erinnern, dass sein Land ein enger Verbündeter der USA und Japans ist und folglich keine Sonderwege beschreiten solle.

Dass die trotz aller »sportlichen« Euphorie nur schwer zu finden sind, sieht auch die in Wiedervereinigungsfragen nicht unerfahrene deutsche Politik so. Weshalb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der ja keineswegs nur als Grüßaugust durch die Welt reist, bei einem Besuch in Tokio davor warnte, Signale der Annäherung zwischen Nord- und Südkorea zu überschätzen. Es ist naiv anzunehmen, dass Nordkorea, nur weil es nun ein gemeinsames Frauen-Eishockey-Team beider Staaten gibt und die Schwester des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un samt einer 229-köpfige Jubeltruppe nach Pyeongchang reist, sein gigantisches Rüstungsprogramm stoppt.

Gerade erst hat die UNO festgestellt, dass Nordkorea mit einigem Geschick die gegen das Land verhängten UN-Sanktionen umgeht. Zwischen Januar und September 2017 habe Pjöngjang durch verbotene Exporte fast 200 Millionen US-Dollar eingenommen, die sicher zu einem Teil dem Atomwaffen- und Raketenprogramms zugute kommen.

Auch Deutschland ist Beschaffungsmarkt für High-Tech-Ausrüstungen. Seit Jahren würden über die nordkoreanische Botschaft in Berlin sogenannte Dual-Use-Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können, beschafft. Das bestätigte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, gegenüber dem NDR. »Wenn wir Derartiges feststellen, unterbinden wir es«, behauptete Maaßen.

Der deutsche Verfassungsschutz ist nicht gerade die hellste Kerze beim Ausleuchten illegaler Proliferationskanäle. Die Strahlkraft der US-Dienste ist da mit Sicherheit heller. Deren Experten wundern sich daher nicht darüber, dass Kims Raketenrüstung so rasch so gewaltige Fortschritte gemacht hat. Sie schreiben, so ist es jetzt auch in einem Beitrag der »Washington Post« zu lesen, die Erfolge beim Bau von Interkontinental- und U-Boot-Raketen ausländischen Konstrukteuren zu. Der russische Rüstungskonzerns Makejew beispielsweise soll Nordkorea entsprechende Pläne zugeschanzt haben.

Freilich verfügen die USA nicht über die Lieferscheine, doch es gibt andere Indizien. So verfügen die US-Experten über Pläne, die Makejew vor rund 25 Jahren in die USA verkaufte. Und die sollen Ähnlichkeiten mit jenen Mittel- und Langstreckenraketen haben, mit denen Nordkorea nun die Welt verunsichert. So sei der Antrieb der rund elf Meter lange »Hwasong-10«, die Nordkorea im Juni 2016 getestet hat, weitgehend mit dem der sowjetischen R-27 »Zyb« identisch. Die U-Boot-Rakete wurde erstmals 1967 bei einer Militärparade in Moskau gezeigt. Sie konnte - je nach Version - einen oder drei Nuklearsprengköpfe tragen. Ähnlich solle es sich mit der »Pukguksong-1«, auch KN-11 genannt, verhalten. Dieses U-Boot-Geschoss wurde von Nordkorea im August 2016 abgefeuert. Beim vorerst letzten Start legte sie eine Distanz von 500 Kilometern zurück.

Nach dem Ende des Kalten Krieges, als man der Abrüstung eine Chance gab, wurden die R-27-Raketen überflüssig. Bis 1994 hat man alle mit diesen ballistischen Raketen ausgerüsteten U-Boote - NATO-Code Yankee-Klasse - ausgemustert. Man versuchte deren Waffen irgendwie anders zu nutzen und verhandelte mit einer US-Investorengruppe darüber, wie man mit den überflüssigen Raketen US-Satelliten kostengünstig in die Erdumlaufbahn befördern kann. Die US-Regierung unterstützte solche Aktivitäten und hoffte, dass russische Ingenieure ihr Wissen so nicht in anderen Ländern anbieten.

Die Verhandlungen waren nicht geheim, im Gegenteil, man pries sie in Medien als zukunftsweisend. Dennoch wurde nichts aus dem Projekt mit Makejew. 1995 endeten die Verhandlungen. Das war in der Präsidentenzeit von Boris Jelzin, in der Russland in einer schweren wirtschaftlichen und damit soziale Krise steckte.

Doch warum brauchten Nordkoreas Techniker so lange, bis sie die Raketen zum Fliegen brachten? Eine mögliche Erklärung lautet - siehe Verfassungsschutz: Die Handelsrestriktionen, mit denen das Land bedrängt wurden, verhinderten den Kauf notwendiger Maschinen, Materialien und Komponenten. Doch es gibt noch eine andere Erklärung, die von den deutschen Raketenexperten Robert Schmucker und Markus Schiller im vergangenen Jahr in der Zeitschrift »Sirius« vorgestellt wurde. Nichts weise darauf hin, dass die Langstreckenraketen, die Nordkorea in den vergangenen Monaten abgefeuert hat, auch dort hergestellt wurden. Das gelte auch für die Interkontinentalrakete »Hwasong-15«, die Ende November getestet wurde und nach nordkoreanischen Angaben - atomar bestückt - das gesamte US-Festland erreichen könnte.

Fürwahr, eine abenteuerliche These. Doch dass zumindest die komplizierten Triebwerke illegal importiert wurden, ist nicht unwahrscheinlich. Aber dabei muss der Finger nicht reflexartig und ungeprüft auf Russland zeigen. Beispielsweise werden die von den Nordkoreanern »selbst konstruierten« RD-250-Triebwerke seit jeher in Dnipro, der viertgrößten Stadt der Ukraine, gebaut.

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