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  • Rechte in der Gewerkschaft

Die AfD verfolgt marktradikale und arbeitnehmerfeindliche Ziele

Klaudia Tietze über Gewerkschaftsmitglieder, die rechts wählen, und was man dagegen machen kann

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Frau Tietze, die rechte Gewerkschaft »Zentrum Automobil« wird bei den kommenden Betriebsratswahlen im Daimler-Stammwerk Untertürkheim mit 187 KandidatInnen antreten. Aus anderen Betrieben heißt es, dass AfD-Leute mit eigenen Listen antreten werden. Bekommen die DGB-Gewerkschaften ernsthafte Konkurrenz von rechts?

Ja, es hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, deren Ziel es ist, die Entstehung von »patriotischen« Gewerkschaften und Listen zu unterstützen. Ermutigt sicher auch durch den Erfolg der AfD, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit innerhalb der Gesellschaft zu kanalisieren und rechtsanfällige Menschen für sich zu gewinnen. Das heißt aber auch, dass sich rechtes Gedankengut in gewerkschaftlichen Strukturen als Position nicht entwickeln kann und am Widerstand aufrechter DemokratInnen scheitert.

Zur Person
Klaudia Tietze ist Geschäftsführerin des Vereins »Mach meinen Kumpel nicht an!« in Düsseldorf, der Teil des gewerkschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus ist. Zusammen mit Björn Allmendinger und Joachim Fährmann gab die Politikwissenschaftlerin gerade das Buch »Von Biedermännern und Brandstiftern. Rechtspopulismus in Betrieb und Gesellschaft« heraus. Mit Tietze sprach Guido Speckmann.

Auch vor dem Hintergrund der rechten Umtriebe in den Betrieben sagte Uwe Laubach, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Eisenach, kürzlich, sie hätten es in ihrer Organisation in nennenswertem Umfang mit AfD-Anhängern und Leuten mit ähnlichen Positionen zu tun. Laubach warf die Frage auf: Was machen wir mit denen? Nach der Bundestagswahl wurde viel darüber diskutiert, ob man mit Rechten reden solle. Wie sehen Sie das?

Ich wüsste nicht, worüber wir uns mit Menschen mit geschlossenem rechten Weltbild unterhalten sollten. Sie sind daran interessiert, die Meinungsfreiheit zu missbrauchen, um demokratiefeindliche Inhalte zu übermitteln und für Lebensmodelle zu werben, die im Widerspruch zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Ich sehe nicht ein, solches Gedankengut durch einen Diskussionsbeitrag aufzuwerten und diesem so Seriosität zu verleihen.

Gilt das auch für AfD-WählerInnen?

Die letzten Wahlen haben gezeigt, dass ein hoher Prozentsatz von AfD-WählerInnen nicht von der Partei überzeugt ist. Mit diesen Menschen kann man durchaus ins Gespräch kommen, um mit ihnen darüber zu sprechen, dass es Probleme in der Gesellschaft gibt, aber die gesellschaftlichen Ziele der AfD keine Alternative und keine Lösung für unser Land sind.

Auch Gewerkschaftsmitglieder gehören zu den WählerInnen der AfD, obwohl deren Programm doch zentralen gewerkschaftlichen Forderungen widerspricht. Warum?

Die Ursachen sind vielschichtig. Aus gewerkschaftlicher Perspektive gibt es eine große soziale Unsicherheit in der Bevölkerung, die sich bei Themen wie Rente, prekärer Beschäftigung oder Arbeitsplatzsicherung widerspiegelt. Die AfD nutzt diese Unsicherheit aus, obwohl sie wenig realistische Optionen aufzeigt, etwas gegen die soziale Ungerechtigkeit zu tun. Dennoch schafft sie es, gerade diese Unsicherheit zu nutzen, indem sie vorgibt, für den »kleinen Mann« da zu sein.

Wählten ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen aus Protest die Nationalisten?

Zum größten Teil ja. Viele KollegInnen fürchten sich vor prekärer Beschäftigung, Altersarmut und sozialem Abstieg. Sie fühlen sich nicht ernst genommen und nicht gehört. Da ist der Weg zu der vermeintlichen Retterin nicht weit. Leider sehen viele nicht, dass die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der AfD vor allem mit rassistischen Tönen untermauert ist. Die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit haben eher den strategischen Charakter, die Menschen einzulullen. Denn die Partei verfolgt in erster Linie marktradikale und arbeitnehmerfeindliche Ziele, die Arbeitnehmerrechte einschränken würden.

Schon seit mehr als zehn Jahren gibt es Studien, die sich mit Rassismus und Nationalismus unter Gewerkschaftsmitgliedern beschäftigen. Hat man das Thema unterschätzt und sich zu wenig mit rassistischen Tendenzen in der eigenen Organisation auseinandergesetzt?

Grundsätzlich muss man sagen, dass Gewerkschaften durch Beschlüsse klare Kante gegen rechts sowohl nach innen als auch nach außen zeigen. Tatsächlich passiert intern viel, auch wenn es nicht gleich öffentlich wird. Es gibt viele innergewerkschaftliche Organisationen, die die Aufgabe haben, GewerkschafterInnen für das Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus zu gewinnen und zu unterstützen. Der gesamtgewerkschaftliche Kumpelverein oder die IG-Metall-Initiative »Respekt« sind Beispiele. Aber auch im Bildungsbereich bieten der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften viel an, um Aufklärung zu leisten. Natürlich, man kann immer mehr machen.

Wie können Gewerkschaften gegen die Hetze der AfD vorgehen und verhindern, dass die rechten Listen erfolgreich sind?

Wir müssen den KollegInnen klar kommunizieren, dass die AfD eine arbeitnehmerfeindliche Partei ist und ihre Programmatik den gewerkschaftlichen Überzeugungen und Forderungen widerspricht. Belegen können wir das allemal. Aber auch die Gewerkschaften müssen so kommunizieren, dass sich alle ArbeitnehmerInnen ernst genommen fühlen.

Gibt es Beispiele, die Erfolge gebracht haben?

Die Arbeit in der Praxis, die Diskussionen mit KollegInnen in Betrieben oder Gewerkschaften zeigen, dass in der Öffentlichkeit mehr über die sozialen Sorgen debattiert werden muss. Wir erkennen dort Fortschritte, wo wir über die Programmatik der AfD zum Beispiel in der Sozialpolitik oder auch über deren Familienbild sprechen. Dass die AfD weniger staatliche Eingriffe bei den sozialen Sicherungssystemen fordert oder ein Familienmodell favorisiert, das Frauen einzig auf die Rolle der Mutter reduziert, ist wenig bekannt. Gerade darüber muss mehr gesprochen werden, um den unsozialen, undemokratischen Kern des politischen Konzeptes der AfD den Menschen vor Augen zu führen. Dadurch wird auch deutlich, dass die Partei keine reine Protestpartei ist, sondern strukturell demokratische Erfolge wie Gleichbehandlung oder Partizipation von ArbeitnehmerInnen in der Arbeitswelt rückgängig machen möchte. Ist dies bekannt, fängt häufig auch ein Umdenken an.

Hans-Jürgen Urban von der IG Metall sprach davon, den Nationalisten von der AfD mit der Doppelstrategie »Klare Kante und offene Tür« zu begegnen: Hetze nicht dulden, aber den über Ungerechtigkeit Empörten dennoch ein Angebot machen. Teilen Sie diesen Ansatz?

Ja, viele KollegInnen haben aus Protest und Verunsicherung gewählt. Sie wissen, dass sich etwas ändern muss, sehen aber Stillstand. Wir müssen ihnen wieder deutlich machen, dass der AfD-Zug zwar schnell, aber Richtung Abgrund unterwegs ist. Dieses völkisch-autoritäre Gerippe darf sich kein soziales Mäntelchen umhängen. Dies zu verhindern, ist die Aufgabe der Gewerkschaften, um Annelie Buntenbach vom DGB zu zitieren.

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