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Zuckersüß und harmlos!?

»Unbekanntes Arabien« - Sandra Maischbergers gescheiterter Versuch einer politischen Dokumentation

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Arabischen gibt es Dinge, die sich vom Deutschen grundlegend unterscheiden. Etwa der Dual. Bahrain bedeutet wörtlich das Land an beziehungsweise zwischen den zwei Meeren. Im Deutschen gibt es dafür das Sprichwort von den zwei Seiten eine Medaille. In der fünfteiligen Arte-Serie »Unbekanntes Arabien«, produziert von Sandra Maischbergers Vincent TV GmbH, sieht man dagegen vor allem Märchen- und Wunschbilder aus 1001 Nacht: Luxus, Glamour und schäumender Reichtum, spektakuläre Felsformationen, unendliche Wüstenlandschaften, grüne Hochgebirge und fruchtbare Oasen, lange Küstenstreifen mit kristallklarem Wasser und einer jahrtausendealten Kultur.

Hinzu kommen schwerttanzende Kindergruppen, Beduinen in traditionellen Gewändern, campende Araberfamilien in der Wüste, Schmuck-Designerinnen, Tänzerinnen und Künstlerinnen mal mit oder ohne Vollverschleierung, die aber jetzt alle Auto fahren dürfen. Nicht zu vergessen Delfine vor der Küste, Schildkröten und viele essbare Fische im Meer. Oder eben köstlichste orientalische Süßigkeiten in den klimatisierten Shopping Malls. Und Kamele. Viele Kamele in jeder der fünf Folgen. Kamelrennen, Kamelhandel, Kamelaufzucht, Kamelmilch-Produktion, schön herausgeputzte und geschmückte Kamele, kopulierende Kamele. Hinzu kommt ein kleiner Pilgergang nach Mekka und der sehr kurze Blick in eine katholische Kirche in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

So viel Religion muss reichen. In den ersten beiden Folgen geht es alleine um »Saudi-Arabien, das unbekannte und konservative Königreich«: So heißt es nicht nur im Pressetext, so wird es immer wieder auch in den ersten zweimal 43 Minuten gesagt. Da sieht man Frauen, die sich beispielsweise als Künstlerinnen selbstständig machen. Nur auf der Straße müssen sie sich noch verhüllen, zu Hause aber seien sie frei. Selbst Galerie-Vernissagen seien seit wenigen Jahren möglich.

Dass es in Saudi-Arabien aber nicht einfach nur einen »konservativen Islam« gibt, sondern der dort herrschende Wahhabismus eine extrem islamistische Form des Salafismus darstellt, der seine Dschihad-Ideologie petromillionendollarschwer in die gesamte Welt exportiert, scheint der Produktionsfirma der politischen Fernseh-Talkerin Sandra Maischberger völlig fremd zu sein. Nicht ein einziges Mal wird das Wort »Scharia« in den Mund genommen. Stattdessen wird die Hauptstadt Riad mit ihrem modernen Wahrzeichen, dem Kingdom-Center, perfekt in Szene gesetzt. Obwohl Saudis sonst eher weniger Wolkenkratzer hätten, weil Saudis - so sagt man - Angst vor hohen Häusern hätten, heißt es Film.

Dass Saudis auch Angst vor freier Meinungsäußerung haben, das königliche Regime kritische Bürger wie Blogger einfach ins Gefängnis sperren und hart bestrafen lässt, wird an keiner Stelle erwähnt. Stattdessen schöne Bilder und Vorbeiflüge wie aus einem orientalisch-arabischen Sehnsuchtstraum. Zu sehen etwa der täglich geöffnete Flohmarkt in Riad. Dort treffen sich Geschäftsleute, Tagelöhner und Milliardäre zu einem beliebten Zeitvertreib: Feilschen und Versteigern, etwa alter Kaffeeröstpfannen, die kein Mensch mehr braucht. Das traditionelle arabische Handeln sei hier als Hobby und Attraktion sehr beliebt, weil Kinos und öffentliche Konzerte bis heute in Saudi-Arabien verboten seien.

Dass es in Saudi-Arabien auch zur Attraktion und allgemeinen Belustigung der Bevölkerung gehört, Andersdenkende öffentlich auszupeitschen, ihnen Hände oder andere Gliedmaßen per Schwert abzuschlagen oder sie gleich ganz zu enthaupten, verschweigt die Serie. Als sei das ja sowieso allgemein bekannt, und nun wolle man die schönen und geheimen Seiten Arabiens entdecken.

Herausgekommen ist in weiten Teilen ein Werbefilm für die arabische Halbinsel, wie er auch in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Tourismus-Ministerien oder Hotelketten der Länder nicht schöner hätte werden können. Von einem kritischen Journalismus aber ist diese Filmreihe aus dem Hause Sandra Maischberger so weit entfernt wie Arabien von Deutschland.

Arte, 18.35 Uhr. Weitere Folgen 13. bis 16. Februar, jeweils um 18.35 Uhr.

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