Heimat ist kein von oben verordnetes Zuhause

Landesregierung fördert Einrichtungen, die das Erbe Brandenburgs bewahren - Traditions- und Brauchtumspflege ist auch Sache seiner Bürger

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

In Brandenburg ist die Zahl von Dorffesten rückläufig, Brauchtums- und Heimatpflege im Land haben abgenommen. Das jedenfalls schloss der CDU-Landtagsabgeordnete Jan Redmann voller Bedauern aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Frage zur Entwicklung des Brauchtums in Brandenburg. Daran hatte sich jüngst eine Debatte im Parlament entzündet.

Kulturministerin Martina Münch (SPD) stellte klar, dass die Brauchtumspflege »im Ganzen« keine Aufgabe des Landes sei. Dennoch fühle sie sich dem Anliegen verpflichtet, dafür zu sorgen, »dass unsere Orte lebenswert bleiben und sich die Menschen dort wirklich zu Hause fühlen«. Sie selbst sei aber weit davon entfernt, so etwas von oben zu verordnen. Gefördert werde beispielsweise der Museumsverband, von dessen fast 400 Einrichtungen sehr viele sich dem örtlichen Brauchtum zuwenden. Gefördert werde auch die Stiftung für das sorbische Volk. Über die Vergabe von Lottomitteln unterstütze das Land Projekte der Heimat- und Brauchtumspflege.

Der von der CDU geforderte »Heimat- und Kulturhaushalt« wurde von der Landtagsmehrheit abgelehnt. Deren Fraktion hatte das Thema »Heimat- und Brauchtumspflege in Brandenburg« auf die Tagesordnung gesetzt. Der CDU-Abgeordnete Henryk Wichmann gab zu bedenken, dass sich Kultur vor allem in den großen Städten des Landes konzentriere, wo pro Einwohner jährlich 125 Euro aus öffentlichen Mitteln für diesen Bereich zur Verfügung stünden. In kleinen Städten und Gemeinde betrage der Zuschuss kaum fünf Euro pro Kopf.

»Ich möchte noch einmal deutlich machen: Wir lassen uns bei diesen Dingen nicht von der AfD treiben«, betonte Wichmann. Doch hätten sich die Zeiten geändert, und man müsse sich dem Thema heute anders stellen als noch vor zehn Jahren. Es gelte, auf diese Weise der Fremdenfeindlichkeit, dem Antisemitismus und ähnlichen Erscheinungen etwas entgegenzusetzen. Unter dem Eindruck von Globalisierung und Digitalisierung sehnten sich die Menschen nach Orientierung und Geborgenheit. Der Landesregierung warf Wichmann vor, nichts Spezielles auf den Weg gebracht zu haben, um die Traditionspflege besser zu unterstützen. Die Zahl entsprechender Ortsgruppen sei von 38 auf 41 gestiegen, die der Mitglieder von 928 auf 1145. Laut Wichmann gibt es rund 500 Heimat- und Geschichtsvereine in annähernd 800 Orten sowie 219 Museen, die sich der Heimatgeschichte widmen.

»So lange die Spree verockert, die Bienen sterben und der Nitratgehalt des Grundwassers bedrohlich steigt, ist das für uns das Gegenteil von Heimatpflege«, sagte die Grünen-Abgeordnete Marie-Luise von Halem. Und an die CDU gewandt: »Wenn Sie ernsthaft vertreten, dass das Land im großen Stil Schützenfeste, Traditionsumzüge und Dorffeste unterstützen soll, dann haben Sie uns nicht an Ihrer Seite.«

»Ich glaube, es gibt kein Land, in dem so viele Volkslieder gesungen wurden wie in der DDR«, sagte die Abgeordnete Gerrit Große (LINKE), auch wenn dieser Staat »zu Recht untergegangen« sei. Große warb für einen »differenzierten Blick auf das, was vor der Wende in Sachen Heimat- und Brauchtumspflege passiert ist«.

Aber auch in der heutigen Schule fehle das Thema nicht: »Schauen Sie einfach in die Rahmenlehrpläne, dort ist so viel Heimat, so viel Regionalbezug.« Unter Schutz gestellt seien in Brandenburg drei Dinge: Die Bräuche der Sorben und Wenden, Glasmacherei in Baruth und die Kalkmörtelproduktion in Rüdersdorf. Da wäre vielleicht noch mehr drin, gab die LINKE-Abgeordnete zu bedenken. Und sie machte darauf aufmerksam, dass Brauchtumspflege heute vor allem noch über ältere Menschen gewährleistet werde. »Die Jüngeren kriegen wir gar nicht mehr.«

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