nd-aktuell.de / 15.02.2018 / Berlin / Seite 12

Straßenkampf um die Frankfurter Allee

Christdemokraten reagieren empört auf Pläne, eine zugeparkte Autospur zum Radstreifen umzuwidmen

Nicolas Šustr
Selten durchgehend befahrbar: Die Autospur, um die sich die CDU sorgt.
Selten durchgehend befahrbar: Die Autospur, um die sich die CDU sorgt.

Ist das die konservative Revolution, die der ehemalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) herbeisehnt? »Massiven Widerstand« bis hin zu einer »Blockade der Senatsverwaltung für Verkehr durch die Bürger aus Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf«, drohen vier CDU-Abgeordnetenhausmitglieder an. Anlass sind die Senatspläne, auf 900 Metern der Frankfurter Allee in Friedrichshain eine Autospur stadtauswärts dem Radverkehr zuzuschlagen.

Eine Spur, die schon bisher praktisch nie dem fließenden Verkehr zur Verfügung steht, weil sie zwischen Niederbarnim- und Müggelstraße eigentlich rund um die Uhr als Parkplatz für Autos und Lieferwagen genutzt wird.

»Diese einseitige Politik zugunsten weniger Verkehrsteilnehmer ist nicht akzeptabel«, lassen Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Freymark, Parlamentarischer Geschäftsführer und Abgeordneter aus Lichtenberg, Mario Czaja, Abgeordneter aus Marzahn-Hellersdorf, sowie Oliver Friederici, Verkehrsexperte der CDU-Fraktion, wissen.

»Haltlos«, nennt der Friedrichshain-Kreuzberger Verkehrsstadtrat Florian Schmidt (Grüne) die Behauptung der CDU. »Das Radverkehrsaufkommen steigt stetig, insbesondere auf dem Streckenzug Frankfurter Allee – Karl-Marx-Allee. Die hierfür auf dem Gehweg eingerichteten Radwege reichen bei Weitem nicht mehr aus«, so Schmidt. Mehr Stau auf der Straße sei übrigens ein gutes Argument, auf das Auto zu verzichten und das Fahrrad zu nutzen. »Durch den geringeren Flächenverbrauch wird der Verkehr flüssiger und die Feinstaubbelastung geringer«, erklärt der Stadtrat.

Etwas anders reagiert Denis Petri vom Volksentscheid Fahrrad. »Wir nehmen die CDU da beim Wort«, sagt er. »An den Ausgängen des U-Bahnhofs Samariterstraße müssen sich FußgängerInnen, RadfahrerInnen sowie die Fahrgäste der U-Bahn mit fünf Metern begnügen, während dem Autoverkehr elf Meter zur Verfügung stehen«, so Petri. Eine Umverteilung des Verkehrsraums sei also dringend nötig.

Außerdem belegen Studien der Universität von Virginia sowie vom New York City Department of Transportation, dass separate Radstreifen auf der Straße den Autofahrern in der Regel Vorteile bringen. Selbst die Wegnahme einer Autospur führte zu keinem Fahrzeitverlust, ermittelten die Forscher. Die Studien zeigten, »dass die landläufige Meinung, der Autoverkehr würde durch die Einrichtung von Radfahrstreifen auf der Fahrbahn ausgebremst, nicht stimmen muss«, schreibt sogar der Autoclub ADAC auf seinem Blog. »Wir gehen davon aus, dass durch die entfallenden Spurwechsel wegen der Zweite-Reihe-Parker der Autoverkehr eher flüssiger läuft«, sagt Petri.

Auch die Senatsverkehrsverwaltung hebt die Vorteile der geplanten Lösung hervor. Neben der Entzerrung an den U-Bahnausgängen profitierten Radler vom teilweise durch Poller geschützten Extraweg, Lieferanten durch besondere Parkzonen und Autofahrer durch die Verbreiterung der verbleibenden zwei Spuren von bisher 2,66 Metern auf drei Meter. Das reduziert auch die Gefahr von Kollisionen zwischen Autos und Lastwagen auf den zurzeit recht schmalen Fahrspuren. »Berechnungen der Verkehrsplaner zeigen: Die beiden geplanten Spuren sind auch zu Spitzenzeiten ausreichend für den Verkehr«, sagt Matthias Tang, Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

In seinem unlängst verabschiedeten Radverkehrsplan begrüßt der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ausdrücklich diese Maßnahme in Zuständigkeit der Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne), ebenso wie den geplanten geschützten Radstreifen auf der Hasenheide sowie die Radspur auf der Petersburger Straße.

Prioritäten des Bezirks sind der Komplettumbau der Oranienstraße und der Petersburger Straße sowie die Schaffung geschützter Radstreifen auf dem Kottbusser Damm, dem Halleschen und Tempelhofer Ufer. Im Kiez um die Boxhagener Straße soll das Kopfsteinpflaster durch Asphalt ersetzt werden, um die Radler von den Bürgersteigen zu holen.

Zunächst auf wenig Begeisterung stieß der im Dezember fertiggestellte erste Abschnitt des neuen Radwegs in der Gitschiner Straße in Kreuzberg, parallel zur Hochbahn, obwohl er sogar entgegen der ursprünglichen Planungen verbreitert worden war. Autofahrer hatten ihn als willkommenen Parkraum genutzt. »Dass die Polizei eine Zeit lang konsequent Falschparker umgesetzt hat, hat sich rumgesprochen«, beobachtet Dirk von Schneidemesser vom Netzwerk Fahrradfreundliches Friedrichshain-Kreuzberg. Dauerparkende Autos gebe es nur noch selten dort.

»Jetzt haben wir nur noch das Problem der ›Nur mal kurz‹-Parker«, sagt er sarkastisch. Die verursachten genau dieselbe Gefahr, nur für kürzere Zeit. Er fordert eine physische Trennung von der Fahrbahn. »Wenn es nicht möglich ist, den Radweg mit dem Auto zu befahren, ist es auch unmöglich, den zuzuparken«, so von Schneidemesser.