Korrekt kollektives Kaltgetränk

Anders Wirtschaften: Colafreunde stellen ihre Lieblingsbrause selbst her

  • Mona Grosche
  • Lesedauer: 4 Min.
Ist es möglich, »das Richtige im Falschen zu leben« und im Kapitalismus fair zu wirtschaften? Eine Gruppe von Cola-Fans sagt ja - und macht aus »Impibrause« mehr als nur ein politisch korrektes Kaltgetränk.
Am Anfang war der Frust. Afri-Cola schmeckte nicht mehr wie Afri-Cola, sah nicht mehr so aus und hatte weniger Koffein, seit die Mineralbrunnen AG (damals eine Nestlé-Tochter) die deutsche Traditionsbrause 1999 übernommen hatte. Die Afri-Fans meuterten: Erst vereinzelt, dann reihenweise protestierten sie gegen den müden Abklatsch ihres Lieblingsgetränks. Die Interessengemeinschaft Premium - benannt nach dem ebenfalls gestrichenen Beinamen von Afri-Cola - wurde gegründet. Schnell hatte die Initiative fast 800 Mitglieder, 100 Partner-Websites und jede Menge Publicity. Sogar Designer Charles Wilp, der in den 70ern das alternative Image des Getränks kreiert hatte, machte sich stark für die Original-Brause. Mineralbrunnen fürchtete angesichts der Proteste Imageverlust und machte Zugeständnisse: Die Mineralwasser-Flasche wurde zurückgenommen, die alte Flasche kam zurück. Das reichte den vereinten Colafans aber noch lange nicht. Denn inzwischen ging es ihnen um weit mehr als nur um »blöde Cola«, wie Uwe, einer der Mitbegründer der Interessengemeinschaft, sagt. Was als Unmut über das Produkt und als »vages Gefühl, wie Unternehmen nicht arbeiten sollen«, begann, wuchs sich zur Idee aus, den Beweis anzutreten, dass ein anderes Wirtschaften, jenseits von Ausbeutung und Profitmaximierung, machbar ist. »Moralisches Wirtschaften« heißt das Stichwort: Verantwortungsbewusste Produktion, bei der Konsumenten, Produzenten, Lieferanten und Händler gemeinsam entscheiden, was hergestellt wird und wie das geschieht. Ohne BWL-Kenntnisse, ohne einen Schimmer von Getränkeherstellung, Kapital oder Infrastruktur machten sich die Colafreunde mit dem alten Rezept, dem früheren Afri-Abfüller und 2000 Euro eines Cola-Fans daran, eine eigene Cola zu produzieren. Ende 2001 wurden die ersten 1000 Flaschen der neuen Premium Cola abgefüllt - und seither werden es stetig mehr. Eine Geschäftsführung, ein Büro oder schriftliche Verträge sucht man vergebens: Bei Premium Cola regelt und entscheidet ein Kollektiv alles, was bei Limonadenherstellung und -vertrieb so anfällt. Zum Kollektiv gehört der Abfüller ebenso wie die Grafiker, der Getränkehändler oder die Spedition - und alle die, die gerne Cola trinken und bereit sind, dafür mehr zu tun, als nur Geld über die Theke zu schieben. Galt der Kollektivgedanke lange als abgehakt, taucht er hier in neuer Frische wieder auf. Dabei versteht sich Premium Cola keineswegs als linkes Projekt, »sondern als eines des normalen gesunden Menschenverstandes«, so Uwe. Bundesweit mischt ein bunter Haufen von rund 100 Leuten in mehr als 40 Städten mit. Was sie - vom Politikstudenten über den CDUler bis zum Steuerbeamten - zusammenhält, ist das »Konzept des korrekten Wirtschaftens«. Und das bedeutet nicht nur »alle entscheiden alles«, sondern auch, dass man darauf achtet, wo die Zutaten herkommen, wie die Arbeitsbedingungen der Fahrer sind und an welche Läden die Cola geht. Denn auch bei Kneipen und Clubs schaut Premium Cola nach, ob diese überhaupt ins Konzept hineinpassen. Strikte Richtlinien, wann ein Lokal korrekt ist, gibt es nicht, erzählt Jürgen, Bonner Sprecher von Premium Cola, das hängt mit von der Einschätzung des jeweiligen Sprechers ab. »Sprecher« sind übrigens all diejenigen, die von Chemnitz bis Graz dafür sorgen, dass die Idee des »korrekten Wirtschaftens im Netzwerk« bekannter und mehr Premium Cola getrunken wird. Geld verdienen spielt bislang nur eine marginale Rolle bei der Premium-Idee. Alle die am Projekt beteiligt sind, verdienen ihre Brötchen woanders, und das soll auf absehbare Zeit auch so bleiben. Für den Fall, dass Premium Cola weiterhin wächst und so über den Status der »Liebhaberei« hinaus gelang, denkt man potenziell über die Gründung einer Genossenschaft nach. Bis dahin fließt wohl noch viel Cola durch durstige Kehlen. Erst einmal werden akutere Fragen diskutiert, wie etwa, ob der Protest gegen den G 8-Gipfel sinnvoll in das Etiketten-Kunstprojekt (die Rückseite jedes Flaschenetiketts ist mit Kunst bedruckt) integriert werden kann. Und diskutiert wird wahrlich viel in der Mailingliste, da sich die Kollektivmitglieder nur einmal im Jahr treffen. Die virtuelle Entscheidungsfindung im Konsensprinzip braucht Zeit - und ist oft mühsam. Dennoch funktioniert die »wirtschaftliche Parallelwelt«. Darauf verweisen die Macher von Premium Cola mit einigem Stolz, ist es doch ihr Ziel, möglichst viele davon zu überzeugen, dass kapitalistische Ökonomie kein gottgegebenes Schicksal ist, sondern jeder - gemeinsam mit anderen, versteht sich - etwas daran ändern kann. Der Fantasie sind da ihrer Ansicht nach keine Grenzen gesetzt. Denn was beim »Kapitalismusdrink Nr. 1« klappt und Spaß macht, könnte ja auch »ein Betriebssystem für reale Unternehmen« werden, orakelt Uwe optimistisch. www.premium-cola.de
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