Die Arroganz der Macht

Von Musikern, Dichtern und dem Wagnis, politische Kunst zu machen

  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sohn jüdischer Eltern wuchs in behüteten Verhältnissen auf. Seine Mutter war eine bekannte Pianistin. Sein Vater, ein Maler, lehrte als Professor an der Universität. Beide erkannten schon früh das künstlerische Talent ihres Sohnes und förderten es nach Kräften. »Alles, was ich bin, schulde ich Euch«, schrieb er später über seine Eltern, »dank der Vererbung, dank der Erziehung und vor allem dank des allgemeinen Einflusses.« Zu den Gästen der Familie gehörten zahlreiche berühmte Personen wie der russische Schriftsteller Leo Tolstoi und der deutsche Dichter Rainer Maria Rilke, dessen Werk den Heranwachsenden tief beeindruckte. Als dieser jedoch mit 13 den Komponisten Alexander Skrjabin kennenlernte, träumte er davon, Pianist zu werden und übte fleißig am Klavier. Später komponierte er sogar eine Klaviersonate in h-moll.

Nach dem Besuch des deutschen Gymnasiums in Moskau nahm er an der Universität ein Jurastudium auf, wechselte aber bald zur Philosophie. In diesem Fach galt Deutschland seinerzeit als Maß aller Dinge. Er schrieb sich deshalb für ein Semester an der Universität Marburg ein und hörte Vorlesungen der Neukantianer Hermann Cohen und Nicolai Hartmann. Außerdem unternahm er Reisen in die Schweiz und nach Italien, die ihn in seinem Entschluss bestärkten, nicht Philosoph, sondern Schriftsteller zu werden. »Meiner Meinung nach sollte Philosophie dem Leben und der Kunst als Gewürz beigegeben werden. Wer sich ausschließlich mit Philosophie beschäftigt, kommt mir vor wie ein Mensch, der nur Meerrettich isst.«

Seine ersten Gedichte, die er mit 23 Jahren bei einer Literaturzeitung einreichte, waren stark vom damals verbreiteten Symbolismus geprägt. Wenig später veröffentlichte er eine eigene Gedichtsammlung. Sie trug den Titel »Zwilling in Wolken« und verschaffte ihm Achtung und Anerkennung in der literarischen Welt.

Während des Ersten Weltkriegs arbeitete er in einer Chemiefabrik im Ural, da er wegen einer Beinverletzung für den Kriegsdienst nicht tauglich war. Den Ausbruch der Oktoberrevolution begrüßten er und seine Familie. Doch bald schon wandten sich seine Eltern von der neuen Regierung ab und emigrierten nach Deutschland. Er selbst blieb in Moskau und arbeitete in einer Bibliothek. Obwohl er sich in seinen Werken vom Symbolismus entfernte und der realen Politik zuwandte, wurde sein Schaffen von der Obrigkeit mit Argwohn betrachtet. Um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können - er war zweimal verheiratet und hatte zwei Söhne - übersetzte er Werke aus dem Englischen, Französischen und Deutschen ins Russische, darunter Stücke von Shakespeare sowie Goethes »Faust«.

Nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion meldete er sich freiwillig an die Front. Doch sein Gesuch wurde abgelehnt und er schließlich einer Schriftstellerbrigade zugeteilt. Nach dem Krieg verarbeitete er seine Erlebnisse in mehreren Gedichtbänden. Zugleich begann er seinen ersten und einzigen Roman zu schreiben, der ihn weltberühmt machen sollte. Das lag aber nicht nur an dessen Inhalt, sondern auch daran, dass das Buch in seiner Heimat nicht erscheinen durfte. Hinter dem Rücken des Geheimdienstes sandte er das Manuskript an einen Mailänder Verlag, der den Roman in einer italienischen Übersetzung herausbrachte. Ein Jahr später erhielt er den Literatur-Nobelpreis, dessen Annahme er auf politischen Druck hin verweigerte. Trotzdem wurde er als »Landesverräter« aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Womöglich hätte er ausreisen können, doch das kam für ihn nicht in Frage. Stattdessen zog er sich zurück an den Stadtrand von Moskau und lebte in einer Künstlerkolonie. Hier starb er mit 70 an einem Herzinfarkt. Erst 27 Jahre nach seinem Tod wurden er und sein Werk in der Sowjetunion rehabilitiert. Und auch den ihm einst verwehrten Nobelpreis durfte sein Sohn in Stockholm nachträglich entgegen nehmen. Wer war’s?

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