Populär und kontrovers

In der Reihe Panorama Dokumente wird Steve Loveridges Porträt der Sängerin M.I.A. gezeigt

  • Jürgen Kiontke
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine recht teure Klageandrohung, die sich die Sängerin Maya - besser bekannt unter ihrem Kampfnamen »M.I.A.« - einhandelte. Während ihres energiegeladenen Auftritts in der Halbzeit des Superbowls 2012, des größten Fernsehereignisses der USA, streckte sie für Sekundenbruchteile den Mittelfinger in die Kamera. Ihre Mitstreiterin Madonna soll darüber stinksauer gewesen sein. Ebenso die National Football League: Die wollte wegen Rufschädigung 16 Millionen Dollar von ihr haben.

Die eher harmlose Episode verweist auf das, was die Organisatoren der Mainstreamkultur gern von der aus Sri Lanka stammenden Sängerin haben möchten: extreme Buntheit, Multikultur und vor allem Authentizität - aber bitteschön für die Konsumenten der gesitteten Mittelschicht. Solches Kalkül geht allerdings nicht immer auf.

M.I.A., 1975 als Matangi Maya Arulpragasam geboren, ist Tänzerin, Choreografin, Produzentin. Ihre Power-Auftritte heizen die Menge auf, Menschen fliegen auf der und von der Bühne. Sie hat ein gutes Gespür für Bässe, ihre Tracks haben den Bump. Die Texte handeln von Krieg, Unterdrückung und davon, wie man sich von ihnen - nicht nur friedlich - befreit. Kein Wunder: Ihre ganze Familie war in den bewaffneten Widerstand der Tamilen gegen die Regierung eingebunden, ihr Vater Arul gar einer seiner Begründer.

Parteinahme für die tamilische Sache und ihr Spiel mit rüpelhaftem Straßengebaren nicht nur der englischen Vorstädte dieser Welt stoßen immer wieder auf Kritik. Wie ihre Kunst auf Borniertheit stößt: 2010 veröffentlichte sie ihr Video zu dem Lied »Born Free« auf Youtube. Es zeigt, wie die Polizei Rothaarige verfolgt, als Beispiel von Diskriminierung willkürlich festgelegter Gruppen von Menschen. Es gibt drastische Szenen von Kindeserschießungen. Das Video wurde von dem Portal für Minderjährige gesperrt, es musste auch gekürzt werden. M.I.A. sprach von einem Skandal: Ob das in ihrem Video verwendete Kunstblut schlimmer als Exekutionsvideos sei? Dabei bezog sie sich auf authentische Filme, in denen Soldaten der srilankischen Armee unbewaffnete, nackte Männer erschießen - Filme, die frei zugänglich auf Youtube zu finden sind.

Von Bürgerkriegs- und Migrationserfahrungen bis zu ihrem Aufstieg zum populären, aber kontroversen Star - das ist einen Gang ins Kino wert. Der Londoner Filmemacher Steve Loveridge hat sich in seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm »Matangi/Maya/M.I.A.« diesem immer gleichbleibend jugendlich wirkenden Gesamtkunstwerk gewidmet. Loveridge erzählt das Leben der Musikerin anhand vieler Schnipsel aus Homevideos und Handy-Bildern. Ihre Familie kommt in vielen witzigen Einstellungen zu Wort, ebenso ihre musikalischen Mitstreiter.

Die Filmarbeiten dürften sich indes interessant gestaltet haben. Arulpragasam wollte einst selbst Dokumentarfilmerin werden. Viele Aufnahmen stammen von ihr.

Flucht als Kind aus dem Kriegsgebiet, Kunststudentin, Jobben, nebenher Karriere als Popstar: Heute jettet Maya um die Welt, und wenn sie irgendwo aussteigt, nimmt sie mit örtlichen Künstlern Platten auf. M.I.A. - die übrigens eine verblüffende Ähnlichkeit mit Britney Spears aufweist - ist ein musikalisches Langzeitprojekt, das die Sprache der Popkultur nicht nur spricht, sondern ihre Zeichen beständig weiterentwickelt. Sie verschmilzt Street Art, Hip-Hop und jede Menge weitere Kulturen zu ihrem eigenen Mix. M.I.A: eine typische moderne globalisierte Biografie. Loveridges Film ist ein guter Eintopf aus all jenen Ingredienzien - eine gelungene cineastische Darstellung von Weltkulturpolitik.

Vorführungen am 17. und 19.2. im International, am 18.2. im CineStar IMAX und am 23.2. im Colosseum 1

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